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Bestimmung des Menschen
Dies erfordert, zu erinnern daran, zu bestimmen, was die Natur, Bestimmung des Menschen ist und wie sie zu betrachten ist, wie sie der Mensch betrachten soll, was er von sich wissen soll. Hier kommen wir
a) gleich auf die entgegengesetzten Bestimmungen: der Mensch ist von Natur gut, ist nicht entzweit in sich, sondern sein Wesen, sein Begriff ist, daß er von Natur gut, das mit sich Harmonische, der Frieden seiner in sich ist, - und der Mensch ist von Natur böse. Die erste Bestimmung heißt also: der Mensch ist von Natur gut, sein allgemeines, substantielles Wesen ist gut; ihr entgegen ist die zweite. Das sind diese Gegensätze zunächst für uns, für die äußere Betrachtung. Das Weitere ist, daß es nicht nur eine Betrachtung ist, die wir machen, sondern daß der Mensch das Wissen seiner von sich selbst habe, wie er beschaffen, was seine Bestimmung ist.
Zunächst ist der eine Satz: der Mensch ist von Natur gut, das Unentzweite; so hat er nicht das Bedürfnis der Versöhnung. Hat er keine Versöhnung nötig, so ist dieser Gang, den wir hier betrachten, dieses Ganze etwas Überflüssiges.
Daß der Mensch von Natur gut ist, ist wesentlich zu sagen: der Mensch ist Geist an sich, Vernünftigkeit, er ist mit und nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Gott ist das Gute, und er ist als Geist der Spiegel Gottes; er ist das Gute an sich. Gerade auf diesen Satz gründet sich allein die Möglichkeit seiner Versöhnung; die Schwierigkeit, Zweideutigkeit liegt aber im Ansich. Der Mensch ist gut an sich, - damit ist noch nicht alles gesagt; dies Ansich ist eben die Einseitigkeit. Der Mensch ist gut an sich, d. h. er ist es nur auf innerliche Weise, seinem Begriff nach, eben darum nicht seiner Wirklichkeit nach. Der Mensch, insofern er Geist ist, muß, was er wahrhaft ist, wirklich, für sich sein. Die physische Natur bleibt beim Ansich stehen, ist an sich der Begriff; in ihr aber kommt der Begriff nicht zu seinem Fürsichsein. Gerade dies, daß der Mensch nur an sich gut ist, dies Ansich enthält diesen Mangel.
Das Ansich der Natur sind die Gesetze der Natur. Die Natur bleibt ihren Gesetzen treu, tritt nicht aus ihnen heraus; das ist ihr Substantielles, - sie ist eben damit in der Notwendigkeit. Die andere Seite ist, daß der Mensch für sich selbst sein soll, was er an sich ist, daß er das für ihn werden soll.
Was von Natur gut ist, ist es unmittelbar, und der Geist ist eben, nicht ein Natürliches und unmittelbar zu sein; sondern als Geist ist der Mensch dies, aus der Natürlichkeit herauszutreten, in diese Trennung seines Begriffs und seines unmittelbaren Daseins überzugehen. In der physikalischen Natur tritt diese Trennung eines Individuums von seinem Gesetz, seinem substantiellen Wesen nicht ein, eben weil es nicht frei ist. - Der Mensch ist dies, daß er dieser seiner Natur, seinem Ansichsein sich gegenübersetzt, in diese Trennung tritt.
Die andere Behauptung entspringt unmittelbar aus dem, was gesagt worden, daß der Mensch nicht bleiben soll, wie er unmittelbar ist, er soll über seine Unmittelbarkeit hinausgehen; das ist der Begriff des Geistes. Dies Hinausgehen über seine Natürlichkeit, sein Ansichsein, ist, was zunächst die Entzweiung begründet, womit die Entzweiung unmittelbar gesetzt ist. Diese Entzweiung ist ein Heraustreten aus dieser Natürlichkeit, Unmittelbarkeit; aber dies ist nicht so zu nehmen, als ob nur erst das Heraustreten das Böse sei, sondern dies Heraustreten ist in der Natürlichkeit schon selbst enthalten. Das Ansich und die Natürlichkeit ist das Unmittelbare; weil es aber der Geist ist, so ist er in seiner Unmittelbarkeit das Heraustreten aus seiner Unmittelbarkeit, der Abfall von seiner Unmittelbarkeit, seinem Ansichsein.
Darin liegt der zweite Satz: der Mensch ist von Natur böse, sein Ansichsein, sein Natürlichsein ist das Böse. In diesem seinem Natürlichsein ist sein Mangel sogleich vorhanden: weil er Geist ist, ist er von demselben unterschieden, die Entzweiung; die Einseitigkeit ist in dieser Natürlichkeit unmittelbar vorhanden. Wenn der Mensch nach der Natur nur ist, ist er böse.
Natürlicher Mensch ist der, der an sich, seinem Begriff nach gut ist; aber natürlich in konkretem Sinn ist der Mensch, der seinen Leidenschaften und Trieben folgt, der in der Begierde steht, dem seine natürliche Unmittelbarkeit das Gesetz ist. Er ist natürlich; aber in diesem seinem Natürlichsein ist er zugleich ein Wollender, und indem der Inhalt seines Wollens nur der Trieb, die Neigung ist, so ist er böse. Der Form nach, daß er Wille ist, ist er nicht mehr Tier; aber der Inhalt, die Zwecke seines Wollens sind noch das Natürliche. Das ist dieser Standpunkt und dieser höhere Standpunkt, daß der Mensch von Natur böse ist, er darum böse ist, weil er ein Natürliches ist.
Der Zustand, den man sich leererweise vorstellt, daß der erste Zustand der Stand der Unschuld gewesen ist, ist der Stand der Natürlichkeit, des Tiers. Der Mensch soll schuldig sein; insofern er gut ist, soll er nicht sein, wie ein natürliches Ding gut ist, sondern es soll seine Schuld, sein Wille sein, es soll ihm imputabel sein. Schuld heißt überhaupt Imputabilität.
Der gute Mensch ist es mit und durch seinen Willen, insofern mit seiner Schuld. Unschuld heißt willenlos sein, ohne böse und eben damit ohne gut zu sein. Die natürlichen Dinge, die Tiere sind alle gut; aber dieses Gutsein kann dem Menschen nicht zukommen; insofern er gut ist, soll er es mit seinem Willen sein. Die absolute Anforderung ist, daß der Mensch nicht als Naturwesen, nicht als natürlicher Wille beharre; der Mensch hat zwar Bewußtsein, aber er kann doch Naturwesen als Mensch sein, insofern das Natürliche den Zweck, Inhalt, die Bestimmung seines Wollens ausmacht.
Näher muß man diese Bestimmung vor Augen haben: der Mensch ist Mensch als Subjekt, und als natürliches Subjekt ist er dieses einzelne Subjekt, und sein Wille ist dieser einzelne Wille; sein Wille ist erfüllt mit dem Inhalt der Einzelheit, d. h. der natürliche Mensch ist selbstsüchtig.
Der Mensch, der gut heißt, von dem verlangen wir wenigstens, daß er sich nach allgemeinen Bestimmungen, Gesetzen richte. Die Natürlichkeit des Willens ist näher die Selbstsucht des Willens, unterschieden von der Allgemeinheit des Willens und entgegengesetzt der Vernünftigkeit des zur Allgemeinheit gebildeten Willens. Dies Böse personifiziert auf allgemeine Weise ist der Teufel. Dieser als das sich selbst wollende Negative ist darin die Identität mit sich und muß daher auch Affirmation haben, wie bei Milton, wo er in seiner charaktervollen Energie besser ist als mancher Engel.
Aber damit, daß der Mensch, insofern er natürlicher Wille ist, böse ist, damit ist nicht die andere Seite aufgehoben, daß er an sich gut ist; das bleibt er immer seinem Begriff nach. Aber der Mensch ist Bewußtsein, damit Unterscheiden überhaupt, damit ein wirklicher, Dieser, Subjekt, unterschieden von seinem Begriff, und indem dies Subjekt zunächst nur unterschieden ist von seinem Begriff, noch nicht zurückgekehrt zur Einheit seiner Subjektivität mit dem Begriff, zu dem Vernünftigen, so ist seine Wirklichkeit die natürliche Wirklichkeit, und diese ist die Selbstsucht.
Das Bösesein setzt sogleich die Beziehung der Wirklichkeit auf den Begriff voraus; es ist damit nur gesetzt der Widerspruch des Ansichseins, des Begriffs und der Einzelheit, des Guten und Bösen. Es ist falsch zu fragen: ist der Mensch gut von Natur oder nicht? Das ist eine falsche Stellung. Ebenso oberflächlich ist, zu sagen, er sei ebensowohl gut als böse.
Was noch besonders das anbetrifft, daß der Wille Willkür sei, gut oder böse wollen kann, so ist in der Tat diese Willkür nicht Wille; dies ist er erst, insofern er sich entschließt, denn soweit er noch dies oder jenes will, ist er nicht Wille. Der natürliche Wille ist Wille der Begierde, der Neigung, die das Unmittelbare will, die noch nicht dies will, denn dazu gehört, daß er vernünftiger Wille wäre, daß er einsähe, daß das Gesetz das Vernünftige ist. Es ist die Anforderung an den Menschen, nicht als natürlicher Wille zu sein, nicht zu sein, wie er nur von Natur ist. Ein anderes ist der Begriff des Willens; solange der Mensch noch darin existiert, ist er nur Wille an sich, noch nicht wirklicher Wille, noch nicht als Geist. Dies ist das Allgemeine; das Spezielle muß entfernt werden. Von dem, was in die bestimmte Sphäre der Moralität gehört, kann erst die Rede sein innerhalb eines besonderen Zustandes; es betrifft nicht die Natur des Geistes.
Dagegen, daß der Wille böse ist, damit haben wir dies, daß wir, wenn wir den Menschen konkret betrachten, vom Willen sprechen, und dies Konkrete, Wirkliche kann nicht bloß ein Negatives sein. Der böse Wille ist aber bloß als negatives Wollen gesetzt; dies ist nur ein Abstraktum, und wenn der Mensch von Natur nicht so ist, wie er sein soll, so ist er doch an sich vernünftig, Geist. Dies ist das Affirmative in ihm, und daß er nicht in der Natur so ist, wie er sein soll, betrifft daher nur die Form des Willens; das Wesentliche ist, daß der Mensch an sich Geist ist. Dies, was an sich ist, beharrt im Aufgeben des natürlichen Willens, ist der Begriff, das Beharrende, das sich Hervorbringende. Wenn wir hingegen sprechen, der Wille sei böse von Natur, so ist dies der Wille nur als negativ; man hat also auch dabei dies Konkrete vor sich, dem diese Abstraktion widerspricht. Dies geht so weit, daß, wenn man den Teufel aufstellt, man zeigen muß, daß Affirmatives in ihm sei, Charakterstärke, Energie, Konsequenz; es müssen im Konkreten sogleich affirmative Bestimmungen hervortreten. Bei diesem allen vergißt man, wenn man vom Menschen spricht, daß es Menschen sind, die durch Sitten, Gesetze usf. gebildet und erzogen sind. Man sagt: die Menschen sind doch nicht so böse, sieh dich doch nur um. Aber da sind es schon sittlich, moralisch gebildete Menschen, schon rekonstruierte, in eine Weise der Versöhnung gesetzte Menschen. Die Hauptsache ist, daß solche Zustände wie der des Kindes nicht vor Augen zu haben sind in der Religion; in der Darstellung der Wahrheit ist vielmehr wesentlich vorgestellt die auseinandergelegte Geschichte dessen, was der Mensch ist. Es ist eine spekulative Betrachtung, die hier waltet; die abstrakten Unterschiede des Begriffs werden hier nacheinander vorgeführt. Wenn der erzogene, gebildete Mensch betrachtet werden soll, so muß an ihm vorkommen die Umwandlung, Rekonstruktion, die Zucht, die er durchlaufen hat, der Übergang vom natürlichen Willen zum wahrhaften, und sein unmittelbar natürlicher Wille muß darin als aufgehoben vorkommen. Wenn nun die erste Bestimmung ist, daß der Mensch unmittelbar nicht so ist, wie er sein soll, so ist
b) zu bedenken, daß der Mensch sich so auch betrachten soll; das Bösesein wird so in das Verhältnis der Betrachtung gesetzt. Dies wird leicht so genommen, daß diese Erkenntnis es nur sei, nach welcher er als böse gesetzt werde, so daß diese Betrachtung eine Art äußerer Forderung, Bedingung sei, so daß, wenn er sich nicht so betrachten würde, auch die andere Bestimmung, daß er böse sei, wegfalle.
Indem diese Betrachtung zur Pflicht gemacht wird, kann man sich vorstellen, daß dies nur das Wesentliche wäre und der Inhalt ohne dasselbe nicht sei. Ferner wird dann das Verhältnis der Betrachtung auch so gestellt, daß es die Betrachtung oder die Erkenntnis ist, die ihn böse mache, so daß sie das Böse sei, und diese Erkenntnis es sei, die nicht sein soll, die der Quell des Bösen sei. In dieser Vorstellung liegt der Zusammenhang des Böseseins mit der Erkenntnis. Dies ist ein wesentlicher Punkt.
Die nähere Weise der Vorstellung dieses Bösen ist, daß der Mensch durch die Erkenntnis böse werde, wie die Bibel es vorstellt, daß er vom Baume der Erkenntnis gegessen habe. Hierdurch kommt die Erkenntnis, die Intelligenz, das Theoretische und der Wille in ein näheres Verhältnis; die Natur des Bösen kommt näher zur Sprache. Hierbei ist nun zu sagen, daß in der Tat die Erkenntnis es ist, welche der Quell alles Bösen ist, denn das Wissen, das Bewußtsein ist dieser Akt, durch den die Trennung gesetzt ist, das Negative, das Urteil, die Entzweiung in der näheren Bestimmung des Fürsichseins überhaupt. Die Natur des Menschen ist nicht, wie sie sein soll; die Erkenntnis ist es, die ihm dies aufschließt und das Sein, wie er nicht sein soll, hervorbringt. Dies Soll ist sein Begriff, und daß er nicht so ist, ist erst entstanden in der Trennung, in der Vergleichung mit dem, was er an und für sich ist. Die Erkenntnis ist erst das Setzen des Gegensatzes, in dem das Böse ist. Das Tier, der Stein, die Pflanze ist nicht böse; das Böse ist erst innerhalb des Kreises der Erkenntnis vorhanden; es ist das Bewußtsein des Fürsichseins gegen anderes, aber auch gegen das Objekt, was in sich allgemein ist in dem Sinn des Begriffs, des vernünftigen Willens. Erst durch diese Trennung bin ich für mich, und darin liegt das Böse. Bösesein heißt abstrakt, mich vereinzeln; die Vereinzelung, die sich abtrennt vom Allgemeinen; dies ist das Vernünftige, die Gesetze, die Bestimmungen des Geistes. Aber mit dieser Trennung entsteht das Fürsichsein und erst das Allgemeine, Geistige, Gesetz, das, was sein soll.
Es ist also nicht, daß die Betrachtung zum Bösen ein äußeres Verhältnis hat, sondern das Betrachten selbst ist das Böse. Zu diesem Gegensatz ist es, daß der Mensch, indem er Geist ist, fortzugehen hat, für sich zu sein überhaupt, so daß er zu seinem Objekt hat seinen Gegenstand, was für ihn ist, das Gute, das Allgemeine, seine Bestimmung. Der Geist ist frei; die Freiheit hat das wesentliche Moment dieser Trennung in sich. In dieser Trennung ist das Fürsichsein gesetzt und hat das Böse seinen Sitz; hier ist die Quelle des Übels, aber auch der Punkt, wo die Versöhnung ihre letzte Quelle hat. Es ist das Krankmachen und die Quelle der Gesundheit. Wir können jedoch hier nicht näher die Art und Weise vergleichen, wie dies in der Geschichte des Sündenfalles ist.
Die Sünde wird so beschrieben, daß der Mensch vom Baum der Erkenntnis gegessen habe usf. Damit ist die Erkennung die Entzweiung, die Trennung, in der erst das Gute für den Menschen ist, aber damit auch das Böse. Es wird als verboten vorgestellt, davon zu essen, und so das Böse formell als Übertretung eines göttlichen Gebots vorgestellt, welches einen Inhalt hätte haben können, welchen es wollte. Hier hat aber das Gebot wesentlich eben diese Erkenntnis zum Inhalt. Das Aufgehen des Bewußtseins ist damit gesetzt; zugleich aber ist es vorzustellen als ein Standpunkt, bei dem nicht geblieben werden soll, der aufzuheben ist, denn in der Entzweiung des Fürsichseins soll nicht stehengeblieben werden. Weiter sagt die Schlange, daß der Mensch durch das Essen Gott gleich werden würde, und hat so den Hochmut des Menschen in Anspruch genommen. Gott spricht zu sich selbst: "Adam ist worden wie unsereiner." Die Schlange hat also nicht gelogen; Gott bestätigt, was sie sagte. Man hat sich mit der Erklärung dieser Stelle viele Mühe gegeben und ist so weit gegangen, dies selbst für Ironie zu erklären. Die höhere Erklärung aber ist, daß unter diesem Adam der zweite Adam, Christus, verstanden ist. Die Erkenntnis ist das Prinzip der Geistigkeit, die aber, wie gesagt, auch das Prinzip der Heilung des Schadens der Trennung ist. Es ist in diesem Prinzip des Erkennens in der Tat auch das Prinzip der Göttlichkeit gesetzt, das durch fernere Ausgleichung zu seiner Versöhnung, Wahrhaftigkeit kommen muß; oder mit anderen Worten: es liegt darin die Verheißung und Gewißheit der wiederzuerreichenden Ebenbildlichkeit. Solche Weissagung findet man bildlich auch ausgedrückt in dem, was Gott zur Schlange sagt: "Ich will Feindschaft setzen" usw. Indem in der Schlange das Prinzip der Erkenntnis als selbständig, außerhalb Adams vorgestellt ist, so ist es allerdings ganz konsequent, daß im Menschen als dem konkreten Erkennen die andere Seite des Umkehrens und der Reflexion enthalten ist und daß diese andere Seite jener den Kopf zertreten werde.
Es wird vorgestellt, der erste Mensch habe dies getan; das ist auch wieder diese sinnliche Weise, zu sprechen. "Der erste Mensch" will dem Gedanken nach heißen: der Mensch als Mensch, nicht irgendein einzelner, zufälliger, einer von den Vielen, sondern der absolut erste, der Mensch seinem Begriff nach. Der Mensch als solcher ist Bewußtsein, eben damit tritt er in diese Entzweiung, - das Bewußtsein, das in seiner weiteren Bestimmung Erkennen ist.
Insofern der allgemeine Mensch als erster vorgestellt ist, ist er als von anderen unterschieden. Da entsteht die Frage: Es ist nur dieser, der es getan hat, wie ist es an andere gekommen? Da ist denn die Vorstellung der Erbschaft; durch diese wird korrigiert diese Mangelhaftigkeit, daß der Mensch als solcher vorgestellt ist als ein erster. Die Entzweiung liegt im Begriff des Menschen überhaupt; die Einseitigkeit also, daß es vorgestellt wird als das Tun eines Einzelnen, wird integriert durch die Vorstellung der Mitteilung, der Erbschaft.
Als Strafe der Sünde ist ausgesprochen die Arbeit usf.; das ist im allgemeinen eine notwendige Konsequenz. Das Tier arbeitet nicht, nur gezwungen, nicht von Natur; es ißt nicht sein Brot im Schweiß des Angesichts, bringt sein Brot sich nicht selbst hervor: von allen Bedürfnissen, die es hat, findet es unmittelbar in der Natur Befriedigung. Der Mensch findet auch das Material dazu, aber, kann man sagen, das Material, ist das wenigste für den Menschen, - die unendliche Vermittlung der Befriedigung seiner Bedürfnisse geschieht nur durch Arbeit. Die Arbeit im Schweiß des Angesichts, die körperliche und die Arbeit des Geistes, bei der es saurer wird als bei jener, ist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erkenntnis des Guten und Bösen. Daß der Mensch sich zu dem machen muß, was er ist, daß er im Schweiße seines Angesichtes sein Brot ißt, hervorbringen muß, was er ist, das gehört zum Wesentlichen, zum Ausgezeichneten des Menschen und hängt notwendig zusammen mit der Erkenntnis des Guten und Bösen.
Es wird weiter vorgestellt, auch der Baum des Lebens sei darin gestanden; es ist dies in einfacher, kindlicher Vorstellung gesprochen. Es gibt zwei Güter für die Wünsche der Menschen; das eine ist, in ungestörtem Glück, in der Harmonie mit sich selbst und der äußeren Natur zu leben, und das Tier bleibt in dieser Einheit, der Mensch hat darüber hinauszugehen; der andere Wunsch ist etwa der, ewig zu leben. Nach diesen Wünschen ist diese Vorstellung gemacht. - Wenn wir dies näher betrachten, so zeigt es sich sogleich als eine nur kindliche Vorstellung. Der Mensch als einzelnes Lebendiges, seine einzelne Lebendigkeit, Natürlichkeit muß sterben. Aber wenn man die Erzählung näher ansieht, so wäre dies das Wunderbare darin, das sich Widersprechende.
In diesem Widerspruch ist der Mensch als für sich seiend bestimmt. Das Fürsichsein ist als Bewußtsein, Selbstbewußtsein, unendliches Selbstbewußtsein abstrakt unendlich; daß er sich seiner Freiheit, ganz abstrakten Freiheit bewußt ist, dies ist sein unendliches Fürsichsein, das in früheren Religionen nicht so zum Bewußtsein gekommen ist, in denen der Gegensatz nicht zu dieser Absolutheit, dieser Tiefe fortgegangen ist. Dadurch, daß dies hier geschehen, ist nun zugleich die Würde des Menschen auf einen weit höheren Standpunkt gesetzt. Das Subjekt hat hierdurch absolute Wichtigkeit, ist wesentlicher Gegenstand des Interesses Gottes; denn es ist für sich seiendes Selbstbewußtsein. Es ist als die reine Gewißheit seiner in sich selbst; es existiert in ihm der Punkt unendlicher Subjektivität: es ist zwar abstrakt, aber abstrakt an und für sich Sein. Dies kommt in der Gestalt vor, daß der Mensch als Geist unsterblich ist, Gegenstand des Interesses Gottes, über die Endlichkeit, Abhängigkeit, über äußere Umstände erhaben, die Freiheit von allem zu abstrahieren; es ist darin gesetzt, der Sterblichkeit entnommen zu sein. Es ist in der Religion, weil ihr Gegensatz unendlich ist, daß die Unsterblichkeit der Seele Hauptmoment ist.
Sterblich ist etwas, was sterben kann; unsterblich ist das, was in den Zustand kommen kann, daß das Sterben nicht eintritt. Verbrennlich und unverbrennlich, - da ist das Brennen nur eine Möglichkeit, die äußerlich an den Gegenstand kommt. Die Bestimmung von Sein ist aber nicht so eine Möglichkeit, sondern affirmativ bestimmte Qualität, die es jetzt schon an ihm hat.
So muß bei der Unsterblichkeit der Seele nicht vorgestellt werden, daß sie erst späterhin in Wirklichkeit träte; es ist gegenwärtige Qualität. Der Geist ist ewig, also deshalb schon gegenwärtig; der Geist in seiner Freiheit ist nicht im Kreise der Beschränktheit. Für ihn als denkend, rein wissend ist das Allgemeine Gegenstand; dies ist die Ewigkeit, die nicht bloß Dauer ist, wie die Berge dauern, sondern Wissen. Die Ewigkeit des Geistes ist hier zum Bewußtsein gebracht, in diesem Erkennen, in dieser Trennung selbst, die zur Unendlichkeit des Fürsichseins gekommen ist, die nicht mehr verwickelt ist im Natürlichen, Zufälligen, Äußeren. Diese Ewigkeit des Geistes in sich ist, daß der Geist zunächst an sich ist; aber der nächste Standpunkt ist, daß der Geist nicht sein soll, wie er nur natürlicher Geist ist, sondern daß er sein soll, wie er an und für sich ist. Der Geist soll sich betrachten, und dadurch ist die Entzweiung; er soll nicht stehenbleiben auf diesem Standpunkt, daß er nicht ist, wie er an sich ist, soll seinem Begriff angemessen werden, der allgemeine Geist. Auf dem Standpunkt der Entzweiung ist dies sein Ansichsein ein Anderes für ihn, und er selbst ist natürlicher Wille; er ist entzweit in sich. Es ist diese Entzweiung insofern sein Gefühl oder Bewußtsein des Widerspruchs, und es ist damit das Bedürfnis des Aufhebens des Widerspruchs gesetzt.
Einerseits wird gesagt, der Mensch im Paradies ohne Sünde wäre unsterblich - die Unsterblichkeit auf Erden und die Unsterblichkeit der Seele wird in dieser Erzählung nicht getrennt -, er würde leben ewiglich. Wenn dieser äußerliche Tod nur eine Folge der Sünde sein soll, so wäre er an sich unsterblich. Auf der anderen Seite wird dann auch vorgestellt, erst wenn der Mensch vom Baum des Lebens äße, würde er unsterblich sein.
Die Sache ist überhaupt diese, daß der Mensch durch das Erkennen unsterblich ist; denn nur denkend ist er keine sterbliche, tierische Seele, ist er die freie, reine Seele. Das Erkennen, Denken ist die Wurzel seines Lebens, seiner Unsterblichkeit, als Totalität in sich selbst. Die tierische Seele ist in die Körperlichkeit versenkt, dagegen der Geist ist Totalität in sich selbst.
Das Weitere ist nun, daß diese Ansicht, die wir im Gedanken gefaßt haben, in dem Menschen wirklich werden soll, d. h. daß der Mensch zu der Unendlichkeit des Gegensatzes in sich komme, des Gegensatzes von Gut und Böse, daß er als Natürliches sich böse wisse und somit des Gegensatzes sich nicht nur überhaupt, sondern sich desselben in sich selbst bewußt werde, daß er es ist, der böse sei, daß die Forderung des Guten und somit das Bewußtsein der Entzweiung und der Schmerz über den Widerspruch und über den Gegensatz in ihm erweckt werde.
Die Form des Gegensatzes haben wir in allen Religionen gehabt; aber der Gegensatz gegen die Macht der Natur, gegen das sittliche Gesetz, den sittlichen Willen, die Sittlichkeit, das Schicksal - alles das sind untergeordnete Gegensätze, die nur den Gegensatz gegen ein Besonderes enthalten.
Der Mensch, der ein Gebot übertritt, ist böse, aber auch nur in diesem partikularen Fall, er ist nur im Gegensatz gegen dies besondere Gebot. Das Gute und das Böse sahen wir in allgemeinem Gegensatz gegenüberstehen im Persischen: hier ist der Gegensatz außer dem Menschen, der selbst ist außer ihm, - es ist nicht dieser abstrakte Gegensatz innerhalb seiner selbst.
Es ist darum die Forderung, daß der Mensch diesen abstrakten Gegensatz innerhalb seiner selbst habe und überwältige; nicht daß er nur dieses oder jenes Gebot nicht tue, sondern die Wahrheit ist, daß er böse ist an sich, böse im allgemeinen, in seinem Innersten, einfach böse, böse in seinem Innern, daß diese Bestimmung des Bösen Bestimmung seines Begriffs ist und daß er dies sich zum Bewußtsein bringe.
c) Um diese Tiefe ist es zu tun. Tiefe heißt die Abstraktion des Gegensatzes, die reine Verallgemeinerung des Gegensatzes, daß seine Seiten diese ganz allgemeine Bestimmung gegeneinander gewinnen.
Dieser Gegensatz hat nun überhaupt zwei Formen. Einerseits ist es der Gegensatz vom Bösen als solchem, daß er selbst es ist, der böse ist, - dies ist der Gegensatz gegen Gott; andererseits ist er der Gegensatz gegen die Welt, daß er in Entzweiung mit der Welt ist, - das ist das Unglück, die Entzweiung nach der anderen Seite.
Daß das Bedürfnis der allgemeinen Versöhnung sei und darin der göttlichen Versöhnung, der absoluten Versöhnung im Menschen sei, dazu gehört, daß der Gegensatz diese Unendlichkeit gewonnen, daß diese Allgemeinheit das Innerste umfaßt, daß nichts ist, das außer diesem Gegensatz wäre, der Gegensatz nicht etwas Besonderes ist. Das ist die tiefste Tiefe.
α) Zuerst betrachten wir das Verhältnis der Entzweiung zum einen Extrem, zu Gott. Der Mensch hat dies Bewußtsein in sich, daß er im Innersten dieser Widerspruch ist; so ist das der unendliche Schmerz über sich selbst. Schmerz ist nur vorhanden im Gegensatz gegen ein Sollen, ein Affirmatives. Was nicht ein Affirmatives mehr in sich ist, hat auch keinen Widerspruch, keinen Schmerz. Schmerz ist eben die Negativität im Affirmativen, daß das Affirmative in sich selbst dies sich Widersprechende, Verletzte ist.
Dieser Schmerz ist das eine Moment des Bösen. Das Böse bloß für sich ist eine Abstraktion; es ist nur im Gegensatz gegen das Gute, und indem es in der Einheit des Subjekts ist, ist der Gegensatz gegen diese Entzweiung der unendliche Schmerz. Wenn im Subjekt selbst nicht ebenso das Bewußtsein des Guten, die unendliche Forderung des Guten ist in seinem Innersten, so ist kein Schmerz da, so ist das Böse selbst nur ein leeres Nichts, - es ist nur in diesem Gegensatz.
Das Böse und dieser Schmerz kann nur unendlich sein, indem das Gute, Gott gewußt wird als ein Gott, als reiner, geistiger Gott; und nur indem das Gute diese reine Einheit ist, beim Glauben an einen Gott und nur in Beziehung auf diesen, kann auch und muß das Negative fortgehen zu dieser Bestimmung des Bösen, die Negation ebenso fortgehen zu dieser Allgemeinheit. Die eine Seite dieser Entzweiung ist auf diese Weise vorhanden durch die Erhebung des Menschen zur reinen, geistigen Einheit Gottes. Dieser Schmerz und dies Bewußtsein ist die Vertiefung des Menschen in sich und eben damit in das negative Moment der Entzweiung, des Bösen.
Dies ist die negative, innerliche Vertiefung in das Böse; die innerliche Vertiefung affirmativ ist die Vertiefung in die reine Einheit Gottes. Auf diesem Punkte ist vorhanden, daß Ich als natürlicher Mensch dem, was das Wahrhafte ist, unangemessen und in die vielen natürlichen Besonderheiten befangen bin, und ebenso unendlich fest ist die Wahrheit des einen Guten in mir; so bestimmt sich diese Unangemessenheit zu dem, was nicht sein soll.
Die Aufgabe, die Forderung ist unendlich. Man kann sagen: indem ich natürlicher Mensch bin, habe ich einerseits Bewußtsein über mich, aber die Natürlichkeit besteht in der Bewußtlosigkeit in Ansehung meiner, in der Willenlosigkeit; ich bin ein solches, das nach der Natur handelt, und insofern bin ich nach dieser Seite, sagt man oft, schuldlos, insofern ich kein Bewußtsein darüber habe, was ich tue, ohne eigentlichen Willen bin, es ohne Neigung tue, mich durch Triebe überraschen lasse. Aber diese Schuldlosigkeit verschwindet hier in diesem Gegensatz. Denn eben das natürliche, das bewußtlose und willenlose Sein des Menschen ist es, was nicht sein soll, und es ist damit zum Bösen bestimmt vor der reinen Einheit, vor der vollkommenen Reinheit, die ich als das Wahrhafte, Absolute weiß. Es liegt in dem Gesagten, daß, auf diesen Punkt gekommen, das Bewußtlose, Willenlose wesentlich selbst als das Böse zu betrachten ist.
Aber der Widerspruch bleibt immer, mag man ihn so wenden oder so; indem sich diese sogenannte Schuldlosigkeit als Böses bestimmt, bleibt die Unangemessenheit meiner gegen das Absolute, gegen mein Wesen, und nach der einen oder anderen Seite weiß ich mich immer als das, was nicht sein soll.
Das ist das Verhältnis zu dem einen Extrem, und das Resultat, die bestimmtere Weise dieses Schmerzes ist die Demütigung meiner, die Zerknirschung, daß es Schmerz über mich ist, daß ich als Natürliches unangemessen bin demjenigen, was ich zugleich selbst weiß, was in meinem Wissen, Wollen ist, daß ich sei.
β) Was das Verhältnis zum andern Extrem betrifft, so erscheint hier die Trennung als Unglück, daß der Mensch nicht befriedigt wird in der Welt. Seine Befriedigung, seine Naturbedürfnisse haben weiter kein Recht, keine Ansprüche. Als Naturwesen verhält sich der Mensch zu anderem, und anderes verhält sich zu ihm als Mächte, und er ist insofern zufällig wie die anderen.
Aber seine Forderungen in Ansehung der Sittlichkeit, die höheren, sittlichen Anforderungen sind Forderungen, Bestimmungen der Freiheit. Insofern diese an sich berechtigten, in seinem Begriff - er weiß vom Guten, und das Gute ist in ihm - begründeten Forderungen, insofern diese nicht ihre Befriedigung finden im Dasein, in der äußerlichen Welt, so ist er im Unglück.
Das Unglück ist es, das den Menschen in sich zurücktreibt, in sich zurückdrängt, und indem diese feste Forderung der Vernünftigkeit der Welt in ihm ist, gibt er die Welt auf und sucht das Glück, die Befriedigung in sich selbst als die Zusammenstimmung seiner affirmativen Seite mit sich selbst. Daß er diese erlange, gibt er die äußerliche Welt auf, verlegt sein Glück in sich selbst, befriedigt sich in sich selbst.
Von dieser Forderung und von diesem Unglück hatten wir diese zwei Formen. Jenen Schmerz, der von der Allgemeinheit, von oben kommt, sahen wir im jüdischen Volk; dabei bleibt die unendliche Forderung der absoluten Reinheit in meiner Natürlichkeit, meinem empirischen Wollen, Wissen. Das andere, das Zurücktreiben aus dem Unglück in sich ist der Standpunkt, in dem die römische Welt geendet hat, dies allgemeine Unglück der Welt. Wir sahen diese formelle Innerlichkeit, die in der Welt sich befriedigt, diese Herrschaft, den Zweck Gottes, der vorgestellt, gewußt, gemeint wird als weltliche Herrschaft. Beide Seiten haben ihre Einseitigkeit: die erste kann als Empfindung der Demütigung ausgesprochen werden, die andere ist die abstrakte Erhebung des Menschen in sich, der Mensch, der sich in sich konzentriert. So ist es der Stoizismus oder Skeptizismus. Der stoische, skeptische Weise war auf sich gewiesen, sollte in ihm selbst befriedigt sein; in dieser Unabhängigkeit, Starrheit des Beisichseins sollte er das Glück haben, die Zusammenstimmung mit sich selbst; in dieser seiner abstrakten, ihm gegenwärtigen, selbstbewußten Innerlichkeit sollte er beruhen.
In dieser Trennung, Entzweiung, haben wir gesagt, bestimmt sich also hier das Subjekt, faßt sich auf als das Extrem des abstrakten Fürsichseins, der abstrakten Freiheit; die Seele senkt sich in ihre Tiefe, in ihren ganzen Abgrund. Diese Seele ist die unentwickelte Monade, die nackte Monade, die leere, erfüllungslose Seele; indem sie aber an sich der Begriff, das Konkrete ist, ist diese Leerheit, Abstraktion widersprechend gegen ihre Bestimmung, konkret zu sein.
Das ist also das Allgemeine, daß in dieser Trennung, die als unendlicher Gegensatz entwickelt ist, diese Abstraktion aufgehoben werden soll. Dieses abstrakte Ich ist auch an ihm selbst ein Wille, ist konkret; aber die unmittelbare Erfüllung, die es an ihm vorfindet, ist der natürliche Wille. Die Seele findet nichts vor als Begierde, Selbstsucht usf. in ihr, und es ist dies eine der Formen des Gegensatzes, daß Ich, die Seele in ihrer Tiefe, und die reale Seite voneinander unterschieden sind, so daß die reale Seite nicht eine solche ist, die dem Begriff angemessen gemacht ist, daher zurückgeführt ist, sondern an ihr selbst nur natürlichen Willen findet.
Der Gegensatz, worin die reale Seite weiterentwickelt ist, ist die Welt, und der Einheit des Begriffs gegenüber ist so eine Gesamtheit des natürlichen Willens, dessen Prinzip Selbstsucht ist, und die Verwirklichung desselben tritt als Verdorbenheit, Roheit usf. auf. Die Objektivität, die dies reine Ich hat, die für dasselbe ist als eine ihm angemessene, ist nicht sein natürlicher Wille, auch nicht die Welt; sondern die angemessene Objektivität ist nur das allgemeine Wesen, dieser Eine, der in ihm nicht erfüllt ist, dem alle Erfüllung, Welt, gegenübersteht.
Das Bewußtsein nun dieses Gegensatzes, dieser Trennung des Ich und des natürlichen Willens ist das eines unendlichen Widerspruchs. Dies Ich ist mit dem natürlichen Willen, der Welt in unmittelbarer Beziehung und zugleich davon abgestoßen. Dies ist der unendliche Schmerz, das Leiden der Welt. Die Versöhnung, die wir bisher auf diesem Standpunkte fanden, ist nur partiell und deshalb ungenügend. Die Ausgleichung des Ich in sich selbst, die das Ich in der stoischen Philosophie gewinnt, wo es sich als denkend weiß und sein Gegenstand das Gedachte, das Allgemeine ist und dies ihm schlechthin alles, die wahrhafte Wesenheit ist, wo also dies ihm gilt als ein Gedachtes und es dem Subjekte als von ihm gesetzt gilt: diese Versöhnung ist nur abstrakt, denn alle Bestimmung ist außer diesem Gedachten; es ist nur formelle Identität mit sich. Auf diesem absoluten Standpunkt kann und soll aber nicht eine solche abstrakte Versöhnung stattfinden; auch der natürliche Wille kann nicht in sich befriedigt werden, denn er und der Weltzustand genügen ihm, der seine Unendlichkeit erfaßt hat, nicht. Die abstrakte Tiefe des Gegensatzes erfordert das unendliche Leiden der Seele und damit eine Versöhnung, die ebenso vollkommen ist.
Es sind die höchsten, abstraktesten Momente; der Gegensatz ist der höchste. Beide Seiten sind der Gegensatz in seiner vollkommensten Allgemeinheit, im Innersten, im Allgemeinen selbst, die Gegensätze in der größten Tiefe. Beide Seiten sind aber einseitig: die erste Seite enthält diesen Schmerz, diese abstrakte Demütigung; da ist das Höchste schlechthin diese Unangemessenheit des Subjekts zum Allgemeinen, diese Entzweiung, Zerreißung, die nicht ausgefüllt, nicht ausgeglichen ist, - der Standpunkt des Gegensatzes vom Unendlichen einerseits und von einer festen Endlichkeit andererseits. Diese Endlichkeit ist die abstrakte Endlichkeit; was mir hierbei als das Meinige zukommt, das ist auf diese Weise nur das Böse.
Ihre Ergänzung hat diese Abstraktion im Anderen; das ist das Denken in sich selbst, die Angemessenheit meiner, daß ich befriedigt bin in mir selbst, befriedigt sein kann in mir selbst. Aber für sich ist diese zweite Seite ebenso einseitig, nur das Affirmative, die Affirmation meiner in mir selbst. Die erste Seite, die Zerknirschung, ist nur negativ, ohne Affirmation in sich; die zweite soll sein diese Affirmation, Befriedigung seiner in sich. Aber diese Befriedigung meiner in mir ist eine nur abstrakte Befriedigung durch die Flucht aus der Welt, aus der Wirklichkeit, - durch die Tatlosigkeit. Indem es die Flucht aus der Wirklichkeit ist, ist es auch die Flucht aus meiner Wirklichkeit, nicht aus der äußerlichen Wirklichkeit, sondern aus der Wirklichkeit meines Willens.
Die Wirklichkeit meines Willens, Ich als dieses Subjekt, der erfüllte Wille, bleibt mir nicht, aber es bleibt mir die Unmittelbarkeit meines Selbstbewußtseins; dieses Selbstbewußtsein ist zwar ein vollkommen abstraktes, aber diese letzte Spitze des Tiefen ist darin enthalten, und ich habe mich darin erhalten. Es ist nicht diese Abstraktion von meiner abstrakten Wirklichkeit in mir oder meinem unmittelbaren Selbstbewußtsein, der Unmittelbarkeit meines Selbstbewußtseins. Auf dieser Seite ist also die Affirmation das Überwiegende, ohne jene Negation der Einseitigkeit des Unmittelbarseins. Dort ist die Negation das Einseitige.
Diese zwei Momente sind es, die das Bedürfnis enthalten zum Übergange. Der Begriff der vorhergehenden Religionen hat sich gereinigt zu diesem Gegensatz, und indem dieser Gegensatz sich als existierendes Bedürfnis gezeigt und dargestellt hat, ist dies so ausgedrückt worden: "Als die Zeit erfüllet war"; d. h. der Geist, das Bedürfnis des Geistes ist vorhanden, der die Versöhnung zeigt.
γ) Die Versöhnung. Das tiefste Bedürfnis des Geistes besteht darin, daß der Gegensatz im Subjekt selbst zu seinen allgemeinen, d. h. abstraktesten Extremen gesteigert ist. Dies ist diese Entzweiung, dieser Schmerz. Dadurch, daß diese beiden Seiten nicht auseinanderfallen, sondern dieser Widerspruch sind in einem, beweist sich zugleich das Subjekt als unendliche Kraft der Einheit; es kann diesen Widerspruch aushalten. Das ist die formelle, abstrakte, aber unendliche Energie der Einheit, die es besitzt.
Das, wodurch das Bedürfnis befriedigt wird, ist das Bewußtsein der Aussöhnung, des Aufhebens, der Nichtigkeit des Gegensatzes, daß dieser Gegensatz nicht ist die Wahrheit, sondern vielmehr dies, die Einheit durch die Negation dieses Gegensatzes zu erreichen, d. i. der Friede, die Versöhnung, die das Bedürfnis fordert. Die Versöhnung ist die Forderung des Bedürfnisses des Subjekts, und es liegt in ihm als unendlich Einem, mit sich Identischem.
Dieses Aufheben des Gegensatzes hat zwei Seiten. Es muß dem Subjekt das Bewußtsein werden, daß dieser Gegensatz nicht an sich ist, daß die Wahrheit, das Innere das Aufgehobensein dieses Gegensatzes ist. Sodann, weil er an sich der Wahrheit nach aufgehoben ist, kann das Subjekt als solches in seinem Fürsichsein erreichen, erlangen das Aufheben dieses Gegensatzes, den Frieden, die Versöhnung.
αα) Daß der Gegensatz an sich aufgehoben ist, macht die Bedingung, Voraussetzung aus, die Möglichkeit, daß das Subjekt auch für sich ihn aufhebe. Insofern wird gesagt, das Subjekt gelange nicht aus sich, d. i. aus sich als diesem Subjekt, durch seine Tätigkeit, sein Verhalten zur Versöhnung; es ist nicht sein Verhalten als des Subjekts, wodurch die Versöhnung zustande gebracht wird und zustande gebracht werden kann.
Dies ist die Natur des Bedürfnisses, wenn die Frage ist: wodurch kann es befriedigt werden? Die Versöhnung kann nur dadurch sein, daß für dasselbe wird das Aufgehobensein der Trennung, daß das, was sich zu fliehen scheint, dieser Gegensatz nichtig ist, daß die göttliche Wahrheit für dasselbe werde der aufgelöste Widerspruch, worin beide ihre Abstraktion gegeneinander abgelegt haben.
Es erhebt sich daher auch hier noch einmal die obige Frage: kann das Subjekt diese Versöhnung nicht aus sich zustande bringen durch seine Tätigkeit, daß es durch seine Frömmigkeit, Andacht sein Inneres der göttlichen Idee angemessen mache und dies durch Handlungen ausdrücke? Und kann dies ferner nicht das einzelne Subjekt, können es dann nicht wenigstens alle Menschen, die das göttliche Gesetz recht in sich aufnehmen wollten, so daß der Himmel auf Erden wäre, der Geist in seiner Gnade gegenwärtig lebte, Realität hätte? Die Frage ist, ob das Subjekt nicht aus sich als Subjekt dies hervorbringen kann. Es ist eine gemeine Vorstellung, daß es dies könne. Zu beachten ist hier, was wir genau vor uns haben müssen, daß von dem Subjekt die Rede ist, welches auf einem Extrem steht, für sich ist. Die Subjektivität hat die Bestimmung des Setzens, daß dies durch mich sei. Dies Setzen, Handeln usf. geschieht durch mich, der Inhalt mag sein, welcher er will; das Hervorbringen ist damit selbst eine einseitige Bestimmung, und das Produkt ist nur ein Gesetztes, es bleibt als solches nur in abstrakter Freiheit. Jene Frage heißt daher, ob es durch sein Setzen dies nicht hervorbringen kann. Dies Setzen muß wesentlich sein eine Voraussetzung, so daß das Gesetzte auch an sich ist. Die Einheit der Subjektivität und Objektivität, diese göttliche Einheit muß als Voraussetzung sein für mein Setzen; dann hat dies erst einen Inhalt; der Inhalt ist Geist, Gehalt, - sonst ist es subjektiv, formell; so erhält es erst wahrhaften, substantiellen Inhalt. Mit der Bestimmung dieser Voraussetzung verliert es seine Einseitigkeit; mit der Bedeutung solcher Voraussetzung benimmt es sich diese Einseitigkeit, verliert sie dadurch. Kant und Fichte sagen: der Mensch kann nur säen, Gutes tun in der Voraussetzung einer moralischen Weltordnung, er weiß nicht, ob es gedeihen, gelingen werde; er kann nur handeln mit der Voraussetzung, daß das Gute Gedeihen an und für sich habe, nicht nur ein Gesetztes sei, sondern seiner Natur nach objektiv. Die Voraussetzung ist wesentliche Bestimmung.
Die Harmonie dieses Widerspruchs muß also in der Weise vorgestellt werden, daß sie für das Subjekt eine Voraussetzung sei. Indem der Begriff die göttliche Einheit erkennt, so erkennt er, daß Gott an und für sich ist und damit die Einsicht, die Tätigkeit des Subjekts nichts für sich ist, nur ist und Bestehen hat unter jener Voraussetzung. Dem Subjekt muß also erscheinen die Wahrheit als Voraussetzung, und die Frage ist, wie, in welcher Gestalt die Wahrheit erscheinen könne auf diesem Standpunkt, auf dem wir uns befinden; er ist der unendliche Schmerz, diese reine Tiefe der Seele, und für diesen Schmerz soll sein die Auflösung des Widerspruchs. Diese ist notwendig zunächst in der Weise der Voraussetzung, weil es dies einseitige Extrem ist.
Des Subjekts Verhalten ist also nur das Setzen, das Tun als nur die eine Seite; die andere ist die substantielle, zugrunde liegende, welche die Möglichkeit enthält. Dies ist, daß an sich dieser Gegensatz nicht vorhanden ist. Näher ist es, daß der Gegensatz ewig entsteht, ebenso sich ewig aufhebt, ebenso das ewige Versöhnen ist.
Daß dieses die Wahrheit ist, sahen wir in der ewigen göttlichen Idee, daß Gott dies ist, als lebendiger Geist sich von sich zu unterscheiden, ein Anderes zu setzen und in diesem Anderen mit sich identisch zu bleiben, in diesem Anderen die Identität seiner mit sich selbst zu haben. Das ist die Wahrheit. Diese Wahrheit ist es, die die eine Seite dessen ausmachen muß, was dem Menschen zum Bewußtsein kommen muß, die ansichseiende, substantielle Seite.
Näher kann es so ausgedrückt werden, daß der Gegensatz die Unangemessenheit überhaupt ist. Der Gegensatz, das Böse ist die Natürlichkeit des menschlichen Seins und Wollens, die Unmittelbarkeit; das ist eben die Weise der Natürlichkeit. Mit der Unmittelbarkeit ist eben die Endlichkeit gesetzt, und diese Endlichkeit oder Natürlichkeit ist unangemessen der Allgemeinheit Gottes, der in sich schlechthin freien, bei sich seienden, unendlichen, ewigen Idee.
Diese Unangemessenheit ist der Ausgangspunkt, der das Bedürfnis ausmacht. Die nähere Bestimmung ist nicht, daß die Unangemessenheit von beiden Seiten verschwinde für das Bewußtsein. Die Unangemessenheit ist; sie liegt in der Geistigkeit: der Geist ist das Sichunterscheiden, das Setzen von Unterschiedenen. Wenn sie unterschieden sind - nach diesem Moment, daß sie Unterschiedene sind -, sind sie nicht das Gleiche; sie sind verschieden, einander unangemessen. Die Unangemessenheit kann nicht verschwinden; wenn sie verschwände, so verschwände das Urteil des Geistes, seine Lebendigkeit; so hörte er auf, Geist zu sein.
ββ) Die weitere Bestimmung aber ist diese, daß dieser Unangemessenheit ungeachtet die Identität beider sei; daß das Anderssein, die Endlichkeit, die Schwäche, die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur keinen Eintrag tun könne jener Einheit, die das Substantielle der Versöhnung ist. Auch dieses haben wir erkannt in der göttlichen Idee. Denn der Sohn ist ein Anderes als der Vater; dies Anderssein ist Verschiedenheit, sonst ist es nicht Geist. Aber das Andere ist Gott, hat die ganze Fülle der göttlichen Natur in sich; diesem, daß dieser Andere der Sohn Gottes, damit Gott ist, tut die Bestimmung des Andersseins keinen Eintrag, ebenso auch nicht ihm in der menschlichen Natur.
Dieses Anderssein ist das ewig sich Setzende, ewig sich Aufhebende, und dieses sich Setzen und Aufheben des Andersseins ist die Liebe, der Geist. Das Böse, die eine Seite, ist abstrakt bestimmt worden als nur das Andere Endliche, Negative, und Gott als das Gute, Wahrhafte auf die andere Seite gestellt. Aber dies Andere, Negative enthält in sich selbst auch die Affirmation, und das muß im endlichen Sein zum Bewußtsein kommen, daß das Prinzip der Affirmation darin enthalten ist, daß in diesem Prinzip der Affirmation das Prinzip der Identität liegt mit der anderen Seite; so wie Gott nicht nur als das Wahre die abstrakte Identität mit sich ist, sondern das Andere, die Negation, das Sichanderssetzen seine eigene wesentliche Bestimmung, die eigene Bestimmung des Geistes ist.
Die Möglichkeit der Versöhnung ist nur darin, daß gewußt wird die an sich seiende Einheit der göttlichen und menschlichen Natur; das ist die notwendige Grundlage. So kann der Mensch sich aufgenommen wissen in Gott, insofern ihm Gott nicht ein Fremdes ist, er sich zu ihm nicht als äußerliches Akzidenz verhält, sondern wenn er nach seinem Wesen, nach seiner Freiheit und Subjektivität in Gott aufgenommen ist; dies ist aber nur möglich, insofern in Gott selbst diese Subjektivität der menschlichen Natur ist. Dieses Ansichsein muß dem unendlichen Schmerz zum Bewußtsein kommen als die an sich seiende Einheit der göttlichen und menschlichen Natur, aber nur dem Ansichsein, der Substantialität nach, so daß diese Endlichkeit, Schwäche, dies Anderssein dieser substantiellen Einheit beider keinen Eintrag tut.
Die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur, der Mensch in seiner Allgemeinheit ist der Gedanke des Menschen und die an und für seiende Idee des absoluten Geistes. An sich ist auch in dem Prozeß, in welchem sich das Anderssein aufhebt, diese Idee und die Objektivität Gottes real, und zwar in allen Menschen unmittelbar: "Aus dem Kelch des ganzen Geisterreiches schäumt ihm die Unendlichkeit."1) Der Schmerz, den das Endliche in dieser seiner Aufhebung empfindet, schmerzt nicht, da es sich dadurch zum Moment in dem Prozeß des Göttlichen erhebt.
Sollte jene Qual uns quälen, da sie unsre Lust vermehrt? 2)
Aber hier, auf diesem Standpunkte ist es nicht um den Gedanken des Menschen zu tun. Auch kann es nicht bei der Bestimmung der Einzelheit überhaupt bleiben, die selbst wieder allgemein und im abstrakten Denken als solchem ist.
γγ) Soll vielmehr das Bewußtsein von der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur, von dieser Bestimmung des Menschen als Menschen überhaupt, dem Menschen gegeben werden oder soll diese Erkenntnis ganz in das Bewußtsein seiner Endlichkeit eindringen als der Strahl des ewigen Lichtes, das ihm im Endlichen klar wird, so muß sie an ihn kommen als Menschen überhaupt, d. h. ohne Bedingung einer besonderen Bildung, sondern an ihn als unmittelbaren Menschen, und für das unmittelbare Bewußtsein muß sie allgemein sein.
Das Bewußtsein der absoluten Idee, die wir im Denken haben, soll also nicht für den Standpunkt philosophischer Spekulation, des spekulativen Denkens hervorgebracht werden, sondern in der Form der Gewißheit für die Menschen überhaupt; nicht daß sie es denken, die Notwendigkeit dieser Idee einsehen und erkennen, sondern darum ist es zu tun, daß sie ihnen gewiß wird, d. h. daß diese Idee, die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur zur Gewißheit komme, daß sie für sie die Form unmittelbarer sinnlicher Anschauung, äußerlichen Daseins erhalte, kurz, daß diese Idee als in der Welt gesehen und erfahren erscheine. So muß sich diese Einheit in ganz zeitlicher, vollkommen gemeiner Erscheinung der Wirklichkeit, in einem diesen Menschen für das Bewußtsein zeigen, in einem Diesen, der zugleich gewußt werde als göttliche Idee, nicht nur als höheres Wesen überhaupt, sondern als die höchste, die absolute Idee, als Gottessohn.
Göttliche und menschliche Natur in einem ist ein harter, schwerer Ausdruck; aber die Vorstellung, die man damit verbindet, ist zu vergessen; es ist die geistige Wesenheit, an die dabei zu denken ist. In der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur ist alles verschwunden, was zur äußeren Partikularisation gehört, - das Endliche ist verschwunden.
Es ist das Substantielle der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur, was dem Menschen zum Bewußtsein kommt, so daß der Mensch ihm als Gott und Gott ihm als Mensch erscheint. Diese substantielle Einheit ist das Ansich des Menschen; indem aber dasselbe für den Menschen ist, ist es jenseits des unmittelbaren Bewußtseins, des gewöhnlichen Bewußtseins und Wissens; damit muß es drüben stehen für das subjektive Bewußtsein, das sich als gewöhnliches Bewußtsein verhält und als solches bestimmt ist. Hierin liegt es, daß dies als einzelner, ausschließender Mensch erscheinen müsse für die Anderen, nicht sie alle Einzelnen, sondern einer, von dem sie ausgeschlossen sind, aber nicht mehr als das Ansich, das drüben ist, sondern als die Einzelheit auf dem Boden der Gewißheit.
Um diese Gewißheit und Anschauung ist es zu tun, nicht bloß um einen göttlichen Lehrer, ohnehin nicht bloß der Moral, aber auch nicht einmal bloß um einen Lehrer dieser Idee, nicht um Vorstellung und Überzeugung ist es zu tun, sondern um diese unmittelbare Gegenwart und Gewißheit des Göttlichen; denn die unmittelbare Gewißheit der Gegenwart ist die unendliche Form und Weise, wie das "ist" für das natürliche Bewußtsein ist. Dieses Ist vertilgt alle Spur der Vermittlung; es ist die letzte Spitze, der letzte Lichtpunkt, der noch aufgetragen wird. Aller Vermittlung durch Gefühle, Vorstellung, Gründe fehlt dies Ist, und nur im philosophischen Erkennen durch den Begriff, im Elemente der Allgemeinheit kehrt es wieder.
Das Göttliche ist nicht zu fassen nur als ein allgemeiner Gedanke oder als ein Inneres, nur Ansichseiendes, die Objektivierung des Göttlichen nicht nur als eine solche, die in allen Menschen ist, zu fassen; so ist sie dann nur als die Vielheit des Geistigen überhaupt gefaßt, und die Entwicklung, die der absolute Geist an ihm selbst hat und die bis zur Form des Ist, der Unmittelbarkeit fortzugehen hat, ist darin nicht enthalten.
Der Eine der jüdischen Religion ist im Gedanken, nicht in der Anschauung, eben darum nicht zum Geist vollendet. Die Vollendung zum Geiste heißt eben die Subjektivität, die sich unendlich entäußert und aus dem absoluten Gegensatze, aus der äußersten Spitze der Erscheinung zu sich zurückkehrt. Das Prinzip der Individualität war zwar schon in dem griechischen Ideale vorhanden, aber hier mangelte eben jene an und für sich allgemeine Unendlichkeit; das Allgemeine als Allgemeines gesetzt ist nur in der Subjektivität des Bewußtseins da; nur diese ist die unendliche Bewegung in sich, in der alle Bestimmtheit des Daseins aufgelöst ist und die zugleich im endlichsten Dasein ist.
Dies Individuum nun, welches für die anderen die Erscheinung der Idee ist, ist dies Einzige; nicht Einige, denn an Einigen wird die Göttlichkeit zur Abstraktion. "Einige" sind ein schlechter Überfluß der Reflexion, ein Überfluß, weil wider den Begriff der individuellen Subjektivität. "Einmal" ist im Begriff "allemal", und das Subjekt muß sich ohne Wahl an eine Subjektivität wenden. In der ewigen Idee ist nur ein Sohn; so ist es nur Einer, ausschließend gegen die anderen, in dem die absolute Idee erscheint. Diese Vollendung der Realität zur unmittelbaren Einzelheit ist der schönste Punkt der christlichen Religion, und die absolute Verklärung der Endlichkeit ist in ihr zur Anschauung gebracht.
Diese Bestimmung, daß Gott Mensch wird, damit der endliche Geist das Bewußtsein Gottes im Endlichen selbst habe, ist das schwerste Moment in der Religion. Nach einer gewöhnlichen Vorstellung, die wir besonders bei den Alten finden, ist der Geist, die Seele, in diese Welt als in ein ihm Fremdartiges herabgestoßen: dieses Inwohnen im Körper und die Vereinzelung zur Individualität sei eine Erniedrigung des Geistes. Darin liegt die Bestimmung der Unwahrheit der bloß materiellen Seite, der unmittelbaren Existenz. Aber andererseits ist die Bestimmung der unmittelbaren Existenz zugleich auch eine wesentliche, die letzte Zuspitzung des Geistes in seiner Subjektivität. Der Mensch hat geistige Interessen und ist geistig tätig; er kann sich daran gehindert fühlen, indem er sich in physischer Abhängigkeit fühlt, indem er für seine Nahrung sorgen muß usw.; er fällt von seinen geistigen Interessen ab durch die Gebundenheit an die Natur. Das Moment der unmittelbaren Existenz ist aber im Geiste selbst enthalten. Es ist die Bestimmung des Geistes, zu diesem Momente fortzugehen. Die Natürlichkeit ist nicht bloß eine äußerliche Notwendigkeit, sondern der Geist als Subjekt in seiner unendlichen Beziehung auf sich selbst hat die Bestimmung der Unmittelbarkeit an ihm. Insofern nun dem Menschen geoffenbart werden soll, was die Natur des Geistes ist, die Natur Gottes in der ganzen Entwicklung der Idee offenbar werden soll, so muß darin diese Form auch vorkommen, und das ist eben die Form der Endlichkeit. Das Göttliche muß in der Form der Unmittelbarkeit erscheinen. Diese unmittelbare Gegenwart ist nur Gegenwart des Geistigen in der geistigen Gestalt, welche die menschliche ist. Auf keine andere Weise ist diese Erscheinung wahrhaft, nicht etwa als Erscheinung Gottes im feurigen Busch und dgl. mehr. Gott erscheint als einzelne Person, an welche Unmittelbarkeit sich alle physische Bedürftigkeit anknüpft. Im indischen Pantheismus kommen unzählig viele Inkarnationen vor; da ist die Subjektivität, das menschliche Sein nur akzidentelle Form, in Gott ist sie nur Maske, die die Substanz annimmt und in zufälliger Weise wechselt. Gott aber als Geist enthält das Moment der Subjektivität, der Einzigkeit an ihm; seine Erscheinung kann daher auch nur eine einzige sein, nur einmal vorkommen.
Christus ist in der Kirche der Gottmensch genannt worden, - diese ungeheure Zusammensetzung ist es, die dem Verstande schlechthin widerspricht; aber die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur ist dem Menschen darin zum Bewußtsein, zur Gewißheit gebracht worden, daß das Anderssein oder, wie man es auch ausdrückt, die Endlichkeit Schwäche, Gebrechlichkeit der menschlichen Natur nicht unvereinbar sei mit dieser Einheit, wie in der ewigen Idee das Anderssein keinen Eintrag tue der Einheit, die Gott ist. Dies ist das Ungeheure, dessen Notwendigkeit wir gesehen haben. Es ist damit gesetzt, daß die göttliche und menschliche Natur nicht an sich verschieden ist: Gott in menschlicher Gestalt. Die Wahrheit ist, daß nur eine Vernunft, ein Geist ist, daß der Geist als endlicher nicht wahrhafte Existenz hat.
Die Wesentlichkeit der Gestalt des Erscheinens ist expliziert. Weil es die Erscheinung Gottes ist, so ist diese für die Gemeinde wesentlich. Erscheinen ist Sein für Anderes; dies Andere ist die Gemeinde.
Diese historische Erscheinung kann aber sogleich auf zweierlei Weise betrachtet werden. Einmal als Mensch, seinem äußerlichen Zustand nach, wie er der irreligiösen Betrachtung als gewöhnlicher Mensch erscheint. Und dann nach der Betrachtung im Geiste und mit dem Geiste, der zu seiner Wahrheit dringt, darum weil er diese unendliche Entzweiung, diesen Schmerz in sich hat, die Wahrheit will, das Bedürfnis der Wahrheit und die Gewißheit der Wahrheit haben will und soll. Dies ist die wahrhafte Betrachtung in der Religion. Diese zwei Seiten sind hier zu unterscheiden: die unmittelbare Betrachtung und die durch den Glauben.
Durch den Glauben wird dieses Individuum als von göttlicher Natur gewußt, wodurch das Jenseits Gottes aufgehoben werde. Wenn man Christus betrachtet wie Sokrates, so betrachtet man ihn als gewöhnlichen Menschen, wie die Mohammedaner Christus betrachten als Gesandten Gottes, wie alle großen Menschen Gesandte, Boten Gottes in allgemeinem Sinne sind. Wenn man von Christus nicht mehr sagt, als daß er Lehrer der Menschheit, Märtyrer der Wahrheit ist, so steht man nicht auf dem christlichen Standpunkte, nicht auf dem der wahren Religion.
Die eine Seite ist diese menschliche Seite, diese Erscheinung als des lebenden Menschen. Ein unmittelbarer Mensch ist in aller äußerlichen Zufälligkeit, in allen zeitlichen Verhältnissen, Bedingungen; er wird geboren, hat die Bedürfnisse aller anderen Menschen als Mensch, allein daß er nicht eingeht in das Verderben, die Leidenschaften, die besonderen Neigungen derselben, in die besonderen Interessen der Weltlichkeit, bei denen auch Rechtschaffenheit und Lehre stattfinden kann; sondern daß er nur der Wahrheit, der Verkündigung der Wahrheit lebt, seine Wirksamkeit nur ist, das höhere Bewußtsein der Menschen auszufüllen.
Auf diese menschliche Seite gehört also zunächst die Lehre Christi. Die Frage ist: wie kann diese Lehre sein, wie ist sie beschaffen? Die erste Lehre kann nicht beschaffen sein, wie nachher die Lehre in der Kirche ist; sie muß Eigentümlichkeiten haben, die in der Kirche notwendigerweise zum Teil eine andere Bestimmung erhalten, zum Teil auf der Seite bleiben. Christus' Lehre kann als diese unmittelbare nicht christliche Dogmatik, nicht Lehre der Kirche sein. Wenn die Gemeinde etabliert ist, das Reich Gottes seine Wirklichkeit, sein Dasein erlangt hat, so kann diese Lehre nicht mehr dieselbe Bestimmung haben wie zuvor.
Der Hauptinhalt dieser Lehre kann nur allgemein, abstrakt sein. Wenn ein Neues, eine neue Welt, eine neue Religion, ein neuer Begriff von Gott in der vorstellenden Welt gegeben werden soll, ist das erste der allgemeine Boden, das zweite das Besondere, Bestimmte, Konkrete. Die vorstellende Welt, insofern sie denkt, denkt nur abstrakt, denkt nur das Allgemeine; es ist nur dem begreifenden Geiste vorbehalten, aus dem Allgemeinen das Besondere zu erkennen, dies Besondere durch sich selbst aus dem Begriff hervorgehen zu lassen; für die vorstellende Welt ist der Boden des allgemeinen Gedankens und die Besonderung und Entwicklung getrennt. Dieser allgemeine Boden kann also durch die Lehre für den wahrhaften Begriff Gottes hervorgebracht werden
Indem es um ein neues Bewußtsein der Menschen, eine neue Religion zu tun ist, so ist es das Bewußtsein der absoluten Versöhnung; damit ist bedingt eine neue Welt, eine neue Religion, eine neue Wirklichkeit, ein anderer Weltzustand; denn das äußerliche Dasein, die Existenz, hat zu ihrem Substantiellen die Religion.
Dies ist die negative, polemische Seite gegen das Bestehen in dieser Äußerlichkeit in dem Bewußtsein und Glauben der Menschen. Die neue Religion spricht sich aus als ein neues Bewußtsein - Bewußtsein der Versöhnung des Menschen mit Gott; diese Versöhnung als Zustand ausgesprochen ist das Reich Gottes, das Ewige als die Heimat für den Geist, eine Wirklichkeit, in der Gott herrscht. Die Geister, Herzen, sie sind versöhnt mit ihm; so ist es Gott, der zur Herrschaft gekommen ist. Dies ist insofern der allgemeine Boden.
Dieses Reich Gottes, die neue Religion hat also an sich die Bestimmung der Negation gegen das Vorhandene, das ist die revolutionäre Seite der Lehre, die alles Bestehende teils auf die Seite wirft, teils vernichtet, umstößt. Alle irdischen weltlichen Dinge fallen weg ohne Wert und werden so ausgesprochen. Das Vorhergehende verändert sich; das vorige Verhältnis, der Zustand der Religion, der Welt kann nicht bleiben wie vorher; es ist darum zu tun, den Menschen, dem das Bewußtsein der Versöhnung werden soll, daraus herauszuziehen, zu verlangen diese Abstraktion von der vorhandenen Wirklichkeit.
Diese neue Religion ist selbst noch konzentriert, nicht als Gemeinde vorhanden, sondern in dieser Energie, welche das einzige Interesse des Menschen ausmacht, der zu kämpfen, zu ringen hat, sich dies zu erhalten, weil es noch nicht in Übereinstimmung ist mit dem Weltzustand, noch nicht im Zusammenhang mit dem Weltbewußtsein.
Das erste Auftreten enthält also die polemische Seite, die Forderung, sich von den endlichen Dingen zu entfernen; es ist gefordert eine Erhebung zu einer unendlichen Energie, in der das Allgemeine fordert, für sich festgehalten zu sein, und der alle anderen Bande gleichgültig zu werden haben, was sonst sittlich, recht ist, alle anderen Bande auf die Seite zu setzen sind.
"Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?" usf. "Laß die Toten ihre Toten begraben" usf. "Wer seine Hand legt an den Pflug und sieht zurück, ist nicht geschickt zum Reich Gottes." "Ich bin gekommen, das Schwert zu bringen" usf.3) Wir sehen hierin das Polemische ausgesprochen gegen die sittlichen Verhältnisse: "Sorget nicht für den andern Tag"; "gib deine Güter den Armen".4)
Alle diese Verhältnisse, die sich auf Eigentum beziehen, verschwinden. Indessen heben sie sich wieder in sich selbst auf; wenn alles den Armen gegeben wird, so sind keine Armen.
Das alles sind Lehren, Bestimmungen, die dem ersten Auftreten angehören, wo die neue Religion nur das einzige Interesse ausmacht, was der Mensch noch zu verlieren sich in Gefahr glauben muß, und wo sie sich als Lehre an Menschen richtet, mit denen die Welt fertig ist und die mit der Welt fertig sind. Die eine Seite ist diese Entsagung; dieses Aufgeben, diese Zurücksetzung alles wesentlichen Interesses und der sittlichen Bande ist im konzentrierten Erscheinen der Wahrheit eine wesentliche Bestimmung, die in der Folge, wenn die Wahrheit sichere Existenz hat, von ihrer Wichtigkeit verliert. Ja, wenn dieser Anfang des Leidens sich nach außen nur duldend, ergebend, den Hals darreichend verhält, so wird sich seine innere Energie mit der Zeit, wenn er erstarkt ist, zu ebenso heftiger Gewalttätigkeit nach außen richten.
Das Weitere im Affirmativen ist die Verkündigung des Reiches Gottes; in dieses, als das Reich der Liebe zu Gott, hat sich der Mensch zu versetzen, so daß er sich unmittelbar in diese Wahrheit werfe. Dieses ist mit der reinsten, ungeheuersten Parrhesie ausgesprochen, z. B. im Anfang der sogenannten Bergpredigt:
"Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen."
Solche Worte sind vom Größten, was je ausgesprochen ist; sie sind ein letzter Mittelpunkt, der allen Aberglauben, alle Unfreiheit des Menschen aufhebt. Es ist unendlich wichtig, daß dem Volk durch die Lutherische Bibelübersetzung ein Volksbuch in die Hand gegeben ist, worin sich das Gemüt, der Geist auf die höchste, unendliche Weise zurechtfinden kann (in katholischen Ländern ist darin ein großer Mangel); dort ist die Bibel das Rettungsmittel gegen alle Knechtschaft des Geistes.
Für diese Erhebung, und damit diese im Menschen hervorkomme, ist von keiner Vermittlung gesprochen, sondern dies unmittelbare Sein, dies unmittelbare Sichversetzen in die Wahrheit, in das Reich Gottes ist damit ausgesprochen. Die intellektuelle, geistige Welt, das Reich Gottes ist es, der der Mensch angehören soll, und die Gesinnung allein ist es, die einen Wert gibt, aber nicht die abstrakte Gesinnung, nicht diese oder jene Meinung, sondern die absolute Gesinnung, die im Reiche Gottes ihre Basis hat. Der unendliche Wert der Innerlichkeit ist damit zuerst aufgetreten. In der Sprache der Begeisterung, in solchen durchdringenden Tönen, die die Seele durchbeben und sie wie Hermes, der Psychagoge, aus dem Leibe herausziehen und aus dem Zeitlichen in die ewige Heimat hinüberführen, ist dies vorgetragen.
"Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit!"5)
In dieser Erhebung und völligen Abstraktion von allem, was der Welt als Großes gilt, ist allenthalben die Wehmut über die Versunkenheit seines Volkes und der Menschen überhaupt enthalten. Jesus trat auf, als das jüdische Volk durch die Gefahr, die sein Gottesdienst bisher gelitten hatte und noch litt, hartnäckiger darein versenkt war und zugleich an der Realität verzweifeln mußte, da es mit einer Allgemeinheit der Menschheit in Berührung gekommen war, die es nicht mehr ableugnen konnte und die doch selbst noch völlig geistlos war, - kurz, er trat auf in der Ratlosigkeit des gemeinen Volkes: "Ich preise dich, Vater und Herr des Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart."6)
Dieses Substantielle nun, dieser allgemeine göttliche Himmel des Innern in bestimmterer Reflexion führt auf moralische Gebote, die die Anwendung jenes Allgemeinen auf besondere Verhältnisse und Situationen sind. Diese Gebote enthalten aber teils selbst nur beschränkte Sphären, teils sind sie für diese Stufe, in der es um die absolute Wahrheit zu tun ist, nichts Ausgezeichnetes, oder sie sind auch schon in anderen Religionen und in der jüdischen enthalten. Zusammengefaßt sind diese Gebote in ihrem Mittelpunkte, dem Gebote der Liebe, die nicht das Recht, sondern die Wohlfahrt des anderen zum Zwecke hat, also das Verhältnis zu seiner Besonderheit ist.
"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst."
Im abstrakten ausgedehnteren Sinn des Umfanges als Menschenliebe überhaupt gefaßt, will dies Gebot Liebe zu allen Menschen. So aber ist ein Abstraktum daraus gemacht. Die Menschen, die man lieben kann und gegen die die Liebe wirklich ist, sind einige besondere; das Herz, das die ganze Menschheit in sich einschließen will, ist ein leeres Aufspreizen zur bloßen Vorstellung, zum Gegenteil der wirklichen Liebe.
Die Liebe im Sinn Christi ist zunächst die moralische Liebe zum Nächsten im besonderen Verhältnisse, in dem man zu ihm steht; vor allem aber soll sie sein das Verhältnis seiner Jünger und Nachfolger, ihr Band, in dem sie eins sind. Und hier ist sie nicht so zu verstehen, daß jeder seine besonderen Geschäfte, Interessen und Lebensverhältnisse haben und nebenbei noch lieben soll; sondern im aussondernden, abstrahierenden Sinne soll sie ihr Mittelpunkt, in dem sie leben, ihr Geschäft sein. Sie sollen einander lieben, sonst nichts, und somit nicht irgendeinen Zweck der Besonderheit haben, Familienzwecke, politische Zwecke, oder um dieser besonderen Zwecke willen lieben. Liebe ist vielmehr die abstrakte Persönlichkeit und die Identität derselben in einem Bewußtsein, wo keine Möglichkeit für besondere Zwecke übrigbleibt. Es ist hier also kein anderer objektiver Zweck als diese Liebe. Diese unabhängige und zum Mittelpunkt gemachte Liebe wird dann endlich die höhere, göttliche Liebe selbst.
Zunächst ist aber auch noch diese Liebe als solche, die noch keinen objektiven Zweck hat, polemisch gegen das Bestehende, besonders gegen das jüdische Bestehende gerichtet. Alle die vom Gesetz gebotenen Handlungen, worin die Menschen sonst ihren Wert setzen ohne die Liebe, werden für totes Tun erklärt, und Christus heilt selbst am Sabbat.
In diese Lehren tritt nun auch dies Moment, diese Bestimmtheit; indem dies so unmittelbar ausgesprochen ist:
"Trachtet nach dem Reiche Gottes, werft euch in die Wahrheit",
dies so unmittelbar gefordert ist, so tritt dies gleichsam als subjektiv ausgesprochen hervor, und insofern kommt die Person in Betracht. Nach dieser Beziehung spricht Christus nicht als Lehrer nur, der aus seiner subjektiven Einsicht vorträgt, der das Bewußtsein hat seines Produzierens, seiner Tätigkeit, sondern als Prophet; er ist es, der, wie diese Forderung unmittelbar ist, unmittelbar aus Gott dieses spricht und aus welchem Gott dieses spricht.
Dieses Leben des Geistes in der Wahrheit zu haben, daß ohne Vermittlung es ist, spricht sich so prophetisch aus, daß Gott es ist, der dies sagt. Es ist um die absolute, göttliche, an und für sich seiende Wahrheit zu tun; dieses Aussprechen und Wollen der an und für sich seienden Wahrheit und die Betätigung dieses Aussprechens wird als Tun Gottes ausgesprochen; es ist das Bewußtsein der reellen Einheit des göttlichen Willens, seiner Übereinstimmung damit. In dieser Erhebung seines Geistes und in der Gewißheit seiner Identität mit Gott sagt Christus:
"Weib, dir sind deine Sünden vergeben."7)
Da redet aus ihm diese ungeheure Majestät, die alles ungeschehen machen kann und es ausspricht, daß dies geschehen.
Bei der Form dieses Aussprechens ist aber der Hauptakzent darauf gelegt, daß der, welcher dies sagt, zugleich der Mensch wesentlich ist, der Menschensohn es ist, der es ausspricht, in dem dieses Aussprechen, diese Betätigung des an und für sich Seienden, dies Wirken Gottes wesentlich ist als in einem Menschen, nicht als etwas Übermenschliches, als etwas, das in Gestalt einer äußeren Offenbarung kommt, daß diese göttliche Gegenwart wesentlich identisch ist mit dem Menschlichen.
Christus nennt sich Gottessohn und Menschensohn: dieses ist eigentlich zu nehmen. Die Araber bezeichnen sich gegenseitig als Sohn eines gewissen Stammes; Christus gehört dem menschlichen Geschlecht an; dieses ist sein Stamm. Christus ist auch der Sohn Gottes, den wahren Sinn dieses Ausdrucks die Wahrheit der Idee, was Christus für seine Gemeinde gewesen, und die höhere Idee der Wahrheit, die in ihm in seiner Gemeinde gewesen, kann man auch wegexegesieren, sagen: alle Menschenkinder seien Kinder Gottes oder sollen sich selbst zu Kindern Gottes machen und dgl.
Da die Lehre Christi aber für sich allein nur die Vorstellung, das innere Gefühl und Gemüt betrifft, so wird sie ergänzt durch die Darstellung der göttlichen Idee an seinem Leben und Schicksal. Jenes Reich Gottes als Inhalt der Lehre ist erst die noch vorgestellte, allgemeine Idee; durch dies Individuum tritt es aber in die Wirklichkeit hinein, so daß die, welche zu jenem Reich gelangen sollen, es nur durch jenes eine Individuum können.
Das erste ist zunächst die abstrakte Angemessenheit von Tun, Handeln und Leiden dieses Lehrers zu seiner Lehre selbst, daß sein Leben ihr gänzlich gewidmet sei, daß er den Tod nicht gescheut und durch den Tod seinen Glauben besiegelt habe. Daß nämlich Christus Märtyrer der Wahrheit geworden, ist in nahem Zusammenhang mit solchem Auftreten. Indem die Stiftung des Reiches Gottes mit dem vorhandenen Staat, der auf eine andere Weise und Bestimmtheit der Religion gegründet ist, durchaus in geradem Widerspruch ist, so ist das Schicksal, menschlich ausgedrückt, Märtyrer der Wahrheit zu sein, im Zusammenhange mit jenem Auftreten.
Dies sind die Hauptmomente der menschlichen Erscheinung Christi. Dieser Lehrer hat Freunde um sich versammelt. Christus, insofern seine Lehren revolutionär waren, ist angeklagt und hingerichtet worden; er hat so die Wahrheit der Lehre mit dem Tode versiegelt. - So weit geht auch der Unglaube in dieser Geschichte mit; sie ist ganz der des Sokrates ähnlich, nur auf einem anderen Boden. Auch Sokrates hat die Innerlichkeit zum Bewußtsein gebracht; sein δαιμόνον ist nichts anderes. Auch er hat gelehrt, der Mensch müsse nicht bei der gewöhnlichen Autorität stehenbleiben, sondern sich selbst die Überzeugung davon verschaffen und nach seiner Überzeugung handeln. Dies sind ähnliche Individualitäten und ähnliche Schicksale. Die Innerlichkeit des Sokrates ist dem religiösen Glauben seines Volkes zuwider gewesen sowie der Staatsverfassung desselben, und er ist darum hingerichtet worden, - auch er ist für die Wahrheit gestorben. Christus lebte nur in einem andern Volke, und seine Lehre hat insofern eine andere Farbe; aber das Himmelreich und die Reinigkeit des Herzens enthält doch eine unendlich größere Tiefe als die Innerlichkeit des Sokrates. - Dies ist die äußerliche Geschichte Christi, die auch für den Unglauben ist, wie die Geschichte des Sokrates für uns.
Mit dem Tode Christi beginnt aber die Umkehrung des Bewußtseins. Der Tod Christi ist der Mittelpunkt, um den es sich dreht; in seiner Auffassung liegt der Unterschied äußerlicher Auffassung und des Glaubens, d. h. der Betrachtung mit dem Geiste, aus dem Geiste der Wahrheit, aus dem heiligen Geiste. Nach jener Vergleichung ist Christus Mensch wie Sokrates, ein Lehrer, der in seinem Leben tugendhaft gelebt und das in dem Menschen zum Bewußtsein gebracht hat, was das Wahrhafte überhaupt sei, was die Grundlage für das Bewußtsein des Menschen ausmachen müsse. Die höhere Betrachtung ist aber die, daß in Christus die göttliche Natur geoffenbart worden sei. Dieses Bewußtsein reflektiert sich auf die angeführten Aussprüche, daß der Sohn den Vater kenne usw. - Aussprüche, die zunächst für sich eine gewisse Allgemeinheit haben und welche die Exegese in das Feld allgemeiner Betrachtung herüberziehen kann, die aber der Glaube durch die Auslegung des Todes Christi in ihrer Wahrheit auffaßt; denn der Glaube ist wesentlich das Bewußtsein der absoluten Wahrheit, dessen, was Gott an und für sich ist. Was aber Gott an und für sich ist, das haben wir gesehen: er ist dieser Lebensverlauf, die Dreieinigkeit, worin das Allgemeine sich sich selbst gegenüberstellt und darin identisch mit sich ist. Gott ist in diesem Elemente der Ewigkeit das Sichzusammenschließen mit sich, dieser Schluß seiner mit sich. Der Glaube nur faßt auf und hat das Bewußtsein, daß in Christo diese an und für sich seiende Wahrheit in ihrem Verlauf angeschaut werde und daß durch ihn erst diese Wahrheit geoffenbart worden sei.
Diese Betrachtung ist erst das Religiöse als solches, wo das Göttliche selbst wesentliches Moment ist. In den Freunden, Bekannten, die gelehrt worden sind, ist diese Ahnung, Vorstellung, dies Wollen eines neuen Reichs, "eines neuen Himmels und einer neuen Erde", einer neuen Welt vorhanden; diese Hoffnung, diese Gewißheit hat die Wirklichkeit ihrer Herzen durchschnitten, in die Wirklichkeit ihrer Herzen sich eingesenkt.
Nun aber das Leiden, der Tod Christi hat das menschliche Verhältnis Christi aufgehoben, und an diesem Tode eben ist es, daß sich der Übergang macht in das Religiöse; da kommt es an auf den Sinn, die Art der Auffassung dieses Todes. Einerseits ist es der natürliche Tod, durch Ungerechtigkeit, Haß und Gewaltsamkeit bewirkt; aber es ist schon fest in den Herzen, Gemütern, daß es sich nicht handelt um Moralität überhaupt, um Denken und Wollen des Subjekts in sich und aus sich, sondern das Interesse ist ein unendliches Verhältnis zu Gott, zum gegenwärtigen Gott, die Gewißheit des Reiches Gottes, eine Befriedigung nicht in der Moralität noch auch Sittlichkeit oder in dem Gewissen, sondern eine Befriedigung, außerhalb welcher nichts Höheres ist, - absolutes Verhältnis zu Gott selbst.
Alle anderen Weisen der Befriedigung enthalten, daß sie nach irgendeiner Bestimmung untergeordneter Art sind, so daß das Verhältnis zu Gott als ein Drüben, als ein Fernes, ja gar nicht Vorhandenes liegenbleibt. Die Grundbestimmung in diesem Reich Gottes ist die Gegenwart Gottes, so daß den Mitgliedern dieses Reichs nicht nur empfohlen wird Liebe zu Menschen, sondern das Bewußtsein, daß Gott die Liebe ist.
Darin ist eben gesagt, daß Gott präsent ist, daß dies als eigenes Gefühl, Selbstgefühl sein muß. Das Reich Gottes, die Gegenwart Gottes ist diese Bestimmung. Zu dieser gehört die Gewißheit der Gegenwärtigkeit Gottes. Indem es ein Bedürfnis, Gefühl ist einerseits, muß das Subjekt sich andererseits auch davon unterscheiden, muß es auch von sich unterscheiden diese Gegenwart Gottes, aber so, daß diese Gegenwart Gottes gewiß ist, und diese Gewißheit kann hier nur vorhanden sein in der Weise sinnlicher Erscheinung.
Die ewige Idee selbst ist dies, die Bestimmung der Subjektivität als wirklicher, vom bloßen Gedanken unterschiedener unmittelbar erscheinen zu lassen. Andererseits ist es der aus dem Schmerz der Welt erzeugte und auf dem Zeugnis des Geistes beruhende Glaube, der sich dann das Leben Christi expliziert. Die Lehre, die Wunder desselben sind in diesem Zeugnisse des Glaubens aufgefaßt und verstanden. Die Geschichte Christi ist auch von solchen erzählt, über die der Geist schon ausgegossen war. Die Wunder sind in diesem Geiste aufgefaßt und erzählt, und der Tod Christi ist von demselben wahrhaft so verstanden worden, daß in Christus Gott geoffenbart sei und die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur. Der Tod ist dann der Prüfstein, sozusagen, an dem sich der Glaube bewähre, indem hier wesentlich sein Verstehen der Erscheinung Christi sich dartut. Der Tod hat nun zunächst diesen Sinn, daß Christus der Gottmensch gewesen ist, der Gott, der zugleich die menschliche Natur hatte, ja bis zum Tode. Es ist das Los der menschlichen Endlichkeit, zu sterben; der Tod ist so der höchste Beweis der Menschlichkeit, der absoluten Endlichkeit. Und zwar ist Christus gestorben den gesteigerten Tod des Missetäters; nicht nur den natürlichen Tod, sondern sogar den Tod der Schande und Schmach am Kreuze: die Menschlichkeit ist an ihm bis auf den äußersten Punkt erschienen.
An diesem Tode ist zunächst eine besondere Bestimmung hervorzuheben, nämlich seine polemische Seite nach außen. Es ist darin nicht nur das Dahingeben des natürlichen Willens zur Anschauung gebracht, sondern alle Eigentümlichkeit, alle Interessen und Zwecke, worauf der natürliche Wille sich richten kann, alle Größe und alles Geltende der Welt ist damit ins Grab des Geistes versenkt. Dies ist das revolutionäre Element, durch welches der Welt eine ganz andere Gestalt gegeben ist. Aber im Aufgeben des natürlichen Willens ist zugleich dies Endliche, das Anderssein verklärt. Das Anderssein hat nämlich außer der unmittelbaren Natürlichkeit noch einen weiteren Umfang und weitere Bestimmung. Zum Dasein des Subjekts gehört wesentlich, daß es auch für andere sei; das Subjekt ist nicht nur für sich, sondern ist auch in der Vorstellung der anderen und ist, gilt und ist objektiv, soviel als es sich bei anderen geltend zu machen weiß und gilt. Sein Gelten ist die Vorstellung der anderen und beruht auf der Vergleichung mit dem, was sie achten und was ihnen als das Ansich gilt.
Indem nun der Tod außer dem, daß er der natürliche Tod ist, auch noch der Tod des Missetäters, der entehrendste Tod am Kreuze ist, so ist darin nicht nur das Natürliche, sondern auch die bürgerliche Entehrung, die weltliche Schande. Das Kreuz ist verklärt; das in der Vorstellung Niedrigste, das, was der Staat zum Entehrenden bestimmt hat, ist zum Höchsten verkehrt. Der Tod ist natürlich; jeder Mensch muß sterben. Aber indem die Entehrung zur höchsten Ehre gemacht ist, so sind alle Bande des menschlichen Zusammenlebens in ihrem Grunde angegriffen, erschüttert und aufgelöst. Wenn das Kreuz zum Panier erhoben ist, und zwar zum Panier, dessen positiver Inhalt zugleich das Reich Gottes ist, so ist die innere Gesinnung in ihrem tiefsten Grunde dem bürgerlichen und Staatsleben entzogen und die substantielle Grundlage desselben hinweggenommen, so daß das ganze Gebäude keine Wirklichkeit mehr, sondern eine leere Erscheinung ist, die bald krachend zusammenstürzen und, daß sie nicht mehr an sich ist, auch im Dasein manifestieren muß.
Ihrerseits entehrte die kaiserliche Gewalt alles, was Achtung und Würde unter den Menschen hat. Das Leben eines jeden Individuums stand in der Willkür des Kaisers, die von nichts innerlich oder äußerlich beschränkt war. Aber außer dem Leben wurden alle Tugend, Würde, Alter, Stand, Geschlecht, alles wurde durch und durch entehrt. Der Sklave des Kaisers war nach ihm die höchste Macht oder hatte noch mehr Macht als er selbst; der Senat schändete sich ebenso, als er vom Kaiser geschändet wurde. So wurde die Majestät der Weltherrschaft wie alle Tugend, Recht, Ehrwürdigkeit von Instituten und Verhältnissen, die Majestät von allem, was für die Welt gilt, in den Kot gezogen. So machte der weltliche Regent der Erde seinerseits das Höchste zum Verachtetsten und verkehrte von Grund aus die Gesinnung, so daß im Innern der neuen Religion, die ihrerseits das Verachtetste zum Höchsten, zum Panier erhob, nichts mehr entgegenzusetzen war. Alles Feste, Sittliche, in der Meinung Geltende und Gewalthabende war zerstört, und es blieb dem Bestehenden, gegen das sich die neue Religion richtete, nur die ganz äußerliche kalte Gewalt, der Tod übrig, den das entwürdigte Leben, das sich im Innern unendlich fühlte, nun freilich nicht mehr scheute.
Es tritt nun aber auch eine weitere Bestimmung ein. Gott ist gestorben, Gott ist tot - dieses ist der fürchterlichste Gedanke, daß alles Ewige, alles Wahre nicht ist, die Negation selbst in Gott ist; der höchste Schmerz, das Gefühl der vollkommenen Rettungslosigkeit, das Aufgeben alles Höheren ist damit verbunden. - Der Verlauf bleibt aber nicht hier stehen, sondern es tritt nun die Umkehrung ein; Gott nämlich erhält sich in diesem Prozeß, und dieser ist nur der Tod des Todes. Gott steht wieder auf zum Leben: es wendet sich somit zum Gegenteil.8) Die Auferstehung gehört ebenso wesentlich dem Glauben an: Christus ist nach seiner Auferstehung nur seinen Freunden erschienen; dies ist nicht äußerliche Geschichte für den Unglauben, sondern nur für den Glauben ist diese Erscheinung. Auf die Auferstehung folgt die Verklärung Christi, und der Triumph der Erhebung zur Rechten Gottes schließt diese Geschichte, welche in diesem Bewußtsein die Explikation der göttlichen Natur selbst ist. Wenn wir in der ersten Sphäre Gott im reinen Gedanken erfaßten, so fängt es in dieser zweiten Sphäre mit der Unmittelbarkeit für die Anschauung und für die sinnliche Vorstellung an. Der Prozeß ist nun dieser, daß die unmittelbare Einzelheit aufgehoben wird; wie in der ersten Sphäre die Verschlossenheit Gottes aufhörte, seine erste Unmittelbarkeit als abstrakte Allgemeinheit, nach der er das Wesen der Wesen ist, aufgehoben wurde, so wird hier nun die Abstraktion der Menschlichkeit, die Unmittelbarkeit der seienden Einzelheit aufgehoben, und dies geschieht durch den Tod. Der Tod Christi ist aber der Tod dieses Todes selbst, die Negation der Negation. Denselben Verlauf und Prozeß der Explikation Gottes haben wir im Reiche des Vaters gehabt: hier ist er aber, insofern er Gegenstand des Bewußtseins ist. Denn es war der Trieb des Anschauens der göttlichen Natur vorhanden.
Am Tode Christi ist dieses Moment zuletzt noch hervorzuheben, daß Gott es ist, der den Tod getötet hat, indem er aus demselben hervorgeht; damit ist die Endlichkeit, Menschlichkeit und Erniedrigung als ein Fremdes an Christo gesetzt als an dem, der schlechthin Gott ist: es zeigt sich, daß die Endlichkeit ihm fremd und von Anderem her angenommen ist; dieses Andere nun sind die Menschen, die dem göttlichen Prozeß gegenüberstehen. Es ist ihre Endlichkeit, die Christus angenommen hat, diese Endlichkeit in allen ihren Formen, die in ihrer äußersten Spitze das Böse ist. Diese Menschlichkeit, die selbst Moment im göttlichen Leben ist, wird nun als ein Fremdes, Gott nicht Angehöriges bestimmt. Diese Endlichkeit aber in ihrem Fürsichsein gegen Gott ist das Böse, ein ihm Fremdes; er hat es aber angenommen, um es durch seinen Tod zu töten. Der schmachvolle Tod als die ungeheure Vereinigung dieser absoluten Extreme ist darin zugleich die unendliche Liebe. Es ist die unendliche Liebe, daß Gott sich mit dem ihm Fremden identisch gesetzt hat, um es zu töten. Dies ist die Bedeutung des Todes Christi. Christus hat die Sünde der Welt getragen, hat Gott versöhnt, heißt es.
Dieser Tod ist ebenso wie die höchste Verendlichung zugleich das Aufheben der natürlichen Endlichkeit, des unmittelbaren Daseins und der Entäußerung, die Auflösung der Schranke. Diese Aufhebung des Natürlichen ist im Geistigen wesentlich so zu fassen, daß sie die Bewegung des Geistes ist, sich in sich zu erfassen, dem Natürlichen abzusterben, daß sie also die Abstraktion vom unmittelbaren Willen und unmittelbaren Bewußtsein ist, sein Sich-in-sich-Versenken, und aus diesem Schachte nur seine Bestimmung, sein wahres Wesen und seine absolute Allgemeinheit sich zu nehmen. Was ihm gilt, was seinen Wert hat, das hat er nur in dieser Aufhebung seines natürlichen Seins und Willens. Das Leiden und der Schmerz dieses Todes, der dies Element der Versöhnung des Geistes mit sich und mit dem, was er an sich ist, enthält, dies negative Moment, das nur dem Geiste als solchem zukommt, ist innere Konversion und Umwandlung. In dieser konkreten Bedeutung ist aber der Tod hier nicht dargestellt; er ist als natürlicher Tod vorgestellt, denn an der göttlichen Idee kann jene Negation keine andere Darstellung haben. Wenn die ewige Geschichte des Geistes sich äußerlich, im Natürlichen darstellt, so kann das Böse, das sich an der göttlichen Idee verwirklicht, nur die Weise des Natürlichen und so die Umkehrung nur die Weise des natürlichen Todes haben. Die göttliche Idee kann nur bis zu dieser Bestimmung des Natürlichen fortgehen. Dieser Tod aber, obwohl natürlicher, ist der Tod Gottes und so genugtuend für uns, indem er die absolute Geschichte der göttlichen Idee, das, was an sich geschehen ist und was ewig geschieht, darstellt.
Daß der einzelne Mensch etwas tut, erreicht und vollbringt, dazu gehört, daß die Sache in ihrem Begriff sich so verhalte. Daß z. B. dieser Verbrecher vom Richter bestraft werden kann und daß diese Strafe die Durchführung und Versöhnung des Gesetzes ist, dies tut nicht der Richter, nicht der Verbrecher durch sein Erleiden der Strafe als eine partikuläre äußerliche Begebenheit, sondern dies ist die Natur der Sache, die Notwendigkeit des Begriffs. Wir haben also diesen Verlauf auf eine gedoppelte Weise vor uns: das eine Mal im Gedanken, in der Vorstellung des Gesetzes und im Begriff, und das andere Mal in einem einzelnen Fall, und in diesem einzelnen Fall ist der Verlauf dieser, weil die Natur der Sache dies ist; ohne diese wäre weder die Handlung des Richters noch das Leiden des Verbrechers die Strafe und Versöhnung des Gesetzes. Der Grund, das Substantielle ist die Natur der Sache.
So verhält es sich nun auch mit jener Genugtuung für uns, d. h. was dabei zugrunde liegt, ist dies, daß jene Genugtuung an und für sich geschehen ist: nicht ein fremdes Opfer ist gebracht, nicht ein anderer gestraft, damit Strafe gewesen sei. Es muß jeder für sich selbst aus seiner eigenen Subjektivität und Schuld das sein und leisten, was er sein soll; was er aber so für sich ist, darf nicht als etwas Zufälliges, als seine Willkür, sondern muß etwas Wahrhaftes sein. Wenn er also diese Umkehrung und das Aufgeben des natürlichen Willens in sich vollbringt und in der Liebe ist, so ist dies die Sache an und für sich. Seine subjektive Gewißheit, Empfindung ist Wahrheit, ist die Wahrheit und die Natur des Geistes. Der Grund der Erlösung ist also jene Geschichte, denn sie ist die Sache an und für sich; es ist nicht ein zufälliges, besonderes Tun und Geschehen, sondern es ist wahrhaft und vollendend. Diese Bewährung, daß es das Wahre ist, ist die Anschauung, die jene Geschichte gibt und in der der Einzelne das Verdienst Christi ergreift. Es ist nicht die Geschichte eines Einzelnen, sondern es ist Gott, der sie vollbringt, d. h. es ist die Anschauung, daß dies die allgemeine, und für sich seiende Geschichte ist.
Andere Formen, z. B. vom Opfertode, an welche sich die falsche Vorstellung knüpft, daß Gott ein Tyrann sei, der Opfer verlange, reduzieren sich von selbst auf das, was gesagt worden, und berichtigen sich danach. Opfer heißt, die Natürlichkeit, das Anderssein aufheben. Es heißt ferner: Christus ist für alle gestorben; das ist nicht etwas Einzelnes, sondern die göttliche, ewige Geschichte. Es heißt ebenso: in ihm sind alle gestorben. In der Natur Gottes ist dies selbst ein Moment; es ist in Gott selbst vorgegangen. Gott kann nicht durch etwas anderes, sondern nur durch sich selbst befriedigt werden. Dieser Tod ist die Liebe selbst, als Moment Gottes gesetzt, und dieser Tod ist das Versöhnende. Es wird darin die absolute Liebe angeschaut. Es ist die Identität des Göttlichen und Menschlichen, daß Gott im Endlichen bei sich selbst ist und dies Endliche im Tode selbst Bestimmung Gottes ist. Gott hat durch den Tod die Welt versöhnt und versöhnt sie ewig mit sich selbst. Dies Zurückkommen aus der Entfremdung ist seine Rückkehr zu sich selbst, und dadurch ist er Geist, und dies Dritte ist daher, daß Christus auferstanden ist. Die Negation ist damit überwunden, und die Negation der Negation ist so Moment der göttlichen Natur.
Das Leiden und Sterben in solchem Sinne ist gegen die Lehre von der moralischen Imputation, wonach jedes Individuum nur für sich zu stehen hat, jeder der Täter seiner Taten ist. Das Schicksal Christi scheint dieser Imputation zu widersprechen; aber diese hat nur ihre Stelle auf dem Felde der Endlichkeit, wo das Subjekt als einzelne Person steht, nicht auf dem Felde des freien Geistes. In dem Felde der Endlichkeit ist die Bestimmung, daß jeder bleibt, was er ist; hat er Böses getan, so ist er böse: das Böse ist in ihm als seine Qualität. Aber schon in der Moralität, noch mehr in der Sphäre der Religion wird der Geist als frei gewußt, als affirmativ in sich selbst, so daß diese Schranke an ihm, die bis zum Bösen fortgeht, für die Unendlichkeit des Geistes ein Nichtiges ist: der Geist kann das Geschehene ungeschehen machen; die Handlung bleibt wohl in der Erinnerung, aber der Geist streift sie ab. Die Imputation reicht also nicht an diese Sphäre hinan. - In dem Tode Christi ist für das wahrhafte Bewußtsein des Geistes die Endlichkeit des Menschen getötet worden. Dieser Tod des Natürlichen hat auf diese Weise allgemeine Bedeutung; das Endliche, Böse überhaupt ist vernichtet. Die Welt ist so versöhnt worden; der Welt ist durch diesen Tod ihr Böses an sich abgenommen worden. In dem wahrhaften Verstehen des Todes tritt auf diese Weise die Beziehung des Subjekts als solchen ein. Das bloße Betrachten der Geschichte hört hier auf; das Subjekt selbst wird in den Verlauf hineingezogen; es fühlt den Schmerz des Bösen und seiner eigenen Entfremdung, welche Christus auf sich genommen, indem er die Menschlichkeit angezogen, aber durch seinen Tod vernichtet hat.
Indem der Inhalt sich auch auf diese Weise verhält, so ist das die religiöse Seite, und hierin fängt die Entstehung der Gemeinde an. Es ist dieser Inhalt dasselbe, was die Ausgießung des Heiligen Geistes genannt worden: es ist der Geist, der dies geoffenbart hat. Das Verhältnis zum bloßen Menschen verwandelt sich in ein Verhältnis, das vom Geist aus verändert, umgewandelt wird, so daß die Natur Gottes sich darin aufschließt, daß diese Wahrheit unmittelbare Gewißheit nach der Weise der Erscheinung erhält.
Darin erhält denn dieser, der zunächst als Lehrer, Freund, als Märtyrer der Wahrheit betrachtet worden, eine ganz andere Stellung. Es ist bisher nur der Anfang, der durch den Geist nun zum Resultat, Ende, zur Wahrheit geführt wird. Der Tod Christi ist einerseits der Tod eines Menschen, eines Freundes, der durch Gewalt gestorben usf.; aber dieser Tod ist es, der, geistig aufgefaßt, selbst zum Heile, zum Mittelpunkt der Versöhnung wird.
Die Anschauung der Natur des Geistes, auf sinnliche Weise die Befriedigung des Bedürfnisses des Geistes vor sich zu haben, ist es dann, was nach dem Tode Christi erst seinen Freunden aufgeschlossen worden. Also diese Überzeugung, die sie aus seinem Leben haben konnten, war noch nicht die rechte Wahrheit, sondern erst der Geist. Vor seinem Tode war er als ein sinnliches Individuum vor ihnen. Den eigentlichen Aufschluß hat ihnen der Geist gegeben, von dem Christus sagt, daß er sie in alle Wahrheit leiten werde.
"Das wird erst die Wahrheit sein, in die euch der Geist leiten wird."
Damit bestimmt sich dieser Tod nach dieser Seite hin als der Tod, der der Übergang zur Herrlichkeit, Verherrlichung ist, die aber nur Wiederherstellung der ursprünglichen Herrlichkeit ist. Der Tod, das Negative, ist das Vermittelnde, daß die ursprüngliche Hoheit als erreicht gesetzt ist. Es geht damit die Geschichte der Auferstehung und Erhebung Christi zur Rechten Gottes an, wo die Geschichte geistige Auffassung gewinnt.
Es ist damit denn geschehen, daß diese kleine Gemeinde die Gewißheit gehabt hat: Gott ist als Mensch erschienen; diese Menschlichkeit in Gott, und die abstrakteste Weise derselben, die höchste Abhängigkeit, die letzte Schwäche und Stufe der Gebrechlichkeit ist eben der natürliche Tod. "Gott selbst ist tot", heißt es in jenem lutherischen Liede9) dies Bewußtsein drückt dies aus, daß das Menschliche, das Endliche, Gebrechliche, die Schwäche, das Negative göttliches Moment selbst ist, in Gott selbst ist; daß das Anderssein, das Endliche, das Negative nicht außer Gott ist, als Anderssein die Einheit mit Gott nicht hindert. Es ist gewußt das Anderssein, die Negation als Moment der göttlichen Natur selbst. Die höchste Erkenntnis von der Natur der Idee des Geistes ist darin enthalten.
Dieses äußerliche Negative schlägt auf diese Weise in das Innere um. Der Tod hat einerseits diesen Sinn, diese Bedeutung, daß damit das Menschliche abgestreift wird und die göttliche Herrlichkeit wieder hervortritt. Aber der Tod ist selbst zugleich auch das Negative, diese höchste Spitze dessen, dem der Mensch als natürliches Dasein und eben damit Gott selbst ausgesetzt ist.
In dieser ganzen Geschichte ist den Menschen zum Bewußtsein gekommen - und das ist die Wahrheit, zu der sie gelangt sind -, daß die Idee Gottes für sie Gewißheit hat, daß das Menschliche unmittelbarer, präsenter Gott ist, und zwar so, daß in dieser Geschichte, wie sie der Geist auffaßt, selbst die Darstellung des Prozesses ist dessen, was der Mensch, der Geist ist: an sich Gott und tot - diese Vermittlung, wodurch das Menschliche abgestreift wird, andererseits das Ansichseiende zu sich zurückkommt und so erst Geist ist.
Das Bewußtsein der Gemeinde, das so den Übergang macht vom bloßen Menschen zu einem Gottmenschen - zur Anschauung, zum Bewußtsein, zur Gewißheit der Einheit und Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur - ist es, womit die Gemeinde beginnt und was die Wahrheit ausmacht, worauf die Gemeinde gegründet ist.
Das ist dann die Explikation der Versöhnung, daß Gott versöhnt ist mit der Welt, oder vielmehr, daß Gott sich gezeigt hat als mit der Welt versöhnt zu sein, daß das Menschliche eben ihm nicht ein Fremdes ist, sondern daß dieses Anderssein, Sichunterscheiden, die Endlichkeit, wie es ausgedrückt wird, ein Moment an ihm selbst ist, aber allerdings ein verschwindendes. Aber er hat in diesem Moment sich der Gemeinde gezeigt, geoffenbart.
Dies ist für die Gemeinde die Geschichte der Erscheinung Gottes; diese Geschichte ist göttliche Geschichte, wodurch sie zum Bewußtsein der Wahrheit gekommen ist. Daraus bildete sich das Bewußtsein, das Wissen, daß Gott der Dreieinige ist. Die Versöhnung, an die geglaubt wird in Christo, hat keinen Sinn, wird Gott nicht als der Dreieinige gewußt, wird nicht erkannt, daß er ist, aber auch als das Andere, als das sich Unterscheidende so daß dieses Andere Gott selbst ist, an sich die göttliche Natur an ihm hat, und daß das Aufheben dieses Unterschieds, Andersseins, diese Rückkehr, diese Liebe der Geist ist.
In diesem Bewußtsein ist es enthalten, daß der Glaube nicht Verhältnis zu etwas anderem, sondern Verhältnis zu Gott selbst ist. Das sind die Momente, auf die es hier ankommt, daß den Menschen zum Bewußtsein gekommen ist die ewige Geschichte, die ewige Bewegung, die Gott selbst ist.
Das ist diese Darstellung der zweiten Idee als Idee in der Erscheinung, wie die ewige Idee für die unmittelbare Gewißheit des Menschen geworden, d. h. erschienen ist. Daß sie Gewißheit für den Menschen werde, ist notwendig sinnliche Gewißheit, aber die zugleich übergeht in das geistige Bewußtsein und ebenso in unmittelbare Sinnlichkeit verkehrt ist, aber so, daß man darin sieht die Bewegung, Geschichte Gottes, das Leben, das Gott selbst ist.
1) Schiller, "Die Freundschaft" (dort: "Seelenreiches")
2) Goethe, Der West-östliche Divan, Buch des Timur, "An Suleika"
3) Matth. 12, 48; 8, 22; Luk. 9, 60. 62; Matth. 10, 34
4) Matth. 6, 34; 19, 21
5) Matth. 6, 33
6) Matth. 11, 25
7) Luk. 7, 48
8) *Es ist dies die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi. Wie alles Bisherige in der Weise der Wirklichkeit für das unmittelbare Bewußtsein zur Erscheinung gekommen, so auch diese Erhebung. "Du lässest deinen Gerechten im Grabe nicht, du lässest deinen Heiligen nicht verwesen." [Psalm 16, 10] Für die Anschauung ist ebenso vorhanden dieser Tod des Todes, die Überwindung des Grabes, der Triumph über das Negative und diese Erhöhung in den Himmel. Die Überwindung des Negativen ist aber nicht ein Ausziehen der menschlichen Natur, sondern ihre höchste Bewährung selbst im Tode und in der höchsten Liebe. Der Geist ist nur Geist als dies Negative des Negativen, welches also das Negative selbst in sich enthält. Wenn daher der Menschensohn zur Rechten des Vaters sitzt, so ist in dieser Erhöhung der menschlichen Natur und die Ehre derselben und ihre Identität mit der göttlichen aufs höchste vor das geistige Auge getreten. (Aus dem eigenhändig von Hegel geschriebenen Hefte vom Jahre 1821.)
9) Johann Rist, 1607-1667, "O Traurigkeit, o Herzeleid", 2. Strophe ["Gott ist tot"]
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