Das objektive Dasein des lebendigen Subjekts: Objektiver Idealismus
“Fragen wir weiter, woran sich die Idee des Lebens innerhalb der wirklichen lebendigen Individuen erkennen läßt, so ist die Antwort folgende. Die Lebendigkeit muß erstens als Totalität eines leiblichen Organismus real sein, der aber zweitens nicht als ein Beharrendes erscheint, sondern als in sich fortdauernder Prozeß des Idealisierens, in welchem sich eben die lebendige Seele kundtut. Drittens ist diese Totalität nicht von außen her bestimmt und veränderlich, sondern aus sich heraus sich gestaltend und prozessierend und darin stets auf sich als subjektive Einheit und als Selbstzweck bezogen.
Diese in sich freie Selbständigkeit der subjektiven Lebendigkeit zeigt sich vornehmlich in der Selbstbewegung. Die unbelebten Körper der unorganischen Natur haben ihre feste Räumlichkeit, sie sind eins mit ihrem Ort und an ihn gebunden oder von außen her bewegt. Denn ihre Bewegung geht nicht von ihnen selbst aus, und wenn sie an ihnen hervortritt, erscheint sie deshalb als eine ihnen fremde Einwirkung, welche aufzuheben sie das reagierende Streben haben. Und wenn auch die Bewegung der Planeten usf. nicht als äußerer Anstoß und als den Körpern fremdartig erscheint, so ist sie doch an ein festes Gesetz und dessen abstrakte Notwendigkeit gebunden. Das lebendige Tier aber in seiner freien Selbstbewegung negiert das Gebundensein an den bestimmten Ort aus sich selbst und ist die fortgesetzte Befreiung von dem sinnlichen Einssein mit solcher Bestimmtheit. Ebenso ist es in seiner Bewegung das wenn auch nur relative Aufheben der Abstraktion in den bestimmten Arten der Bewegung, deren Bahn, Geschwindigkeit usf. Näher aber noch hat das Tier aus sich selbst in seinem Organismus sinnliche Räumlichkeit, und die Lebendigkeit ist Selbstbewegung innerhalb dieser Realität selber, als Blutumlauf, Bewegung der Glieder usf.
Die Bewegung aber ist nicht die einzige Äußerung der Lebendigkeit. Das freie Tönen der tierischen Stimme, welches den unorganischen Körpern fehlt, indem sie nur durch fremden Anstoß rauschen und klingen, ist schon ein höherer Ausdruck der beseelten Subjektivität. Am durchgreifendsten aber zeigt sich die idealisierende Tätigkeit darin, daß sich das lebendige Individuum einerseits zwar in sich gegen die übrige Realität abschließt, andererseits jedoch ebensosehr die Außenwelt fürsich macht, teils theoretisch durch das Sehen usf., teils praktisch, insofern es die Außendinge sich unterwirft, sie benutzt, sie sich im Ernßhrungsprozesse assimiliert und so an seinem Anderen sich selbst als Individuum stets reproduziert, und zwar in erstarkteren Organismen in bestimmter geschiedenen Intervallen der Bedürftigkeit, des Verzehrens und der Befriedigung und Sattigkeit.
Dies alles sind Tätigkeiten, in welchen der Begriff der Lebendigkeit an beseelten Individuen zur Erscheinung kommt. Diese Idealität nun ist nicht etwa nur unsere Reflexion, sondern sie ist objektiv in dem lebendigen Subjekt selbst vorhanden, dessen Dasein wir deshalb einen objektiven Idealismus nennen dürfen. Die Seele, als dieses Ideelle, macht sich scheinen, indem sie die nur äußere Realität des Leibes stets zum Scheinen herabsetzt und damit selber objektiv in der Körperlichkeit erscheint.”
Georg Wilhelm Friedrich Hegel Vorlesungen über die Ãsthetik. A.Das Naturschöne als solches. 1. Die Idee als Leben >>>
“Beim Philosophieren kommt es überhaupt darauf an, was der Gegenstand, Inhalt des Gedachten ist, und daß das Ich das Setzende ist; und obgleich ich so setze, so ist doch das Gesetzte objektiv, an und für sich seiend. Bleibt man dabei stehen, daß Ich das Setzende ist, so ist es der schlechte Idealismus der modernen Zeit. In früherer Zeit hat man gedacht und ist nicht dabei stehengeblieben, daß das Gedachte darum schlecht ist, weil ich es setze, weil es ein Subjektives ist.”
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie Zweites Kapitel: Von den Sophisten bis zu den Sokratikern >>>
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