c. Die römische Welt als Boden der Satire
“Indem es nun die ihrem inneren Gehalt nach prosaische Auflösung des Ideals ist, welche sich im Satirischen kundgibt, so haben wir den wirklichen Boden für dasselbe nicht in Griechenland, als dem Lande der Schönheit, zu suchen. Die Satire in der eben beschriebenen Gestalt kommt den Römern eigentümlich zu. Der Geist der römischen Welt ist die Herrschaft der Abstraktion, des toten Gesetzes, die Zertrümmerung der Schönheit und heiteren Sitte, das Zurückdrängen der Familie als der unmittelbaren, natürlichen Sittlichkeit, überhaupt die Aufopferung der Individualität, welche sich an den Staat hingibt und im Gehorsam gegen das abstrakte Gesetz ihre kaltblütige Würde und verständige Befriedigung findet. Das Prinzip dieser politischen Tugend, deren kalte Härte sich nach außen alle Völkerindividualität unterwirft, während das formelle Recht im Innern sich in der ähnlichen Schärfe bis zur Vollendung ausbildet, ist der wahren Kunst entgegen. So finden wir denn auch in Rom keine schöne, freie und große Kunst. Skulptur und Malerei, epische, lyrische und dramatische Poesie haben die Römer von den Griechen überkommen und sich angelernt. Es ist merkwürdig, daß, was als einheimisch bei den Römern angesehen werden kann, komische Farcen, die Feszenninen und Atellanen sind, wogegen die gebildeteren Komödien, selbst des Plautus und ohnehin des Terenz, von den Griechen abgeborgt und eine Sache mehr der Nachahmung als der selbständigen Produktion waren. Auch Ennius schöpfte schon aus griechischen Quellen und machte die Mythologie prosaisch.Eigentümlich ist den Römern nur jede Kunstweise, welche in ihrem Prinzip prosaisch ist, das Lehrgedicht z. B., besonders wenn es moralischen Inhalt hat und seinen allgemeinen Reflexionen nur von außen her den Schmuck des Metrums, der Bilder, Gleichnisse und einer rhetorisch schönen Diktion gibt; vor allem aber die Satire. Der Geist einer tugendhaften Verdrießlichkeit über die umgebende Welt ist es, der sich zum Teil in hohlen Deklamationen Luft zu machen strebt. Poetischer kann diese an sich selbst prosaische Kunstform nur werden, insofern sie uns die verderbte Gestalt der Wirklichkeit so vor Augen bringt, daß dieses Verderben durch seine eigene Torheit in sich zusammenfällt; wie Horaz z. B., der sich als Lyriker ganz in die griechische Kunstform und Weise hineingebildet hat, in seinen Briefen und Satiren, in denen er eigentümlicher ist, ein lebendiges Bild der Sitten seiner Zeit entwirft, indem er uns Torheiten schildert, welche, in ihren Mitteln ungeschickt, sich durch sich selber zerstören.” >>>
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