Die Form des Gefühls ist eng mit dem bloßen Glauben als solchem, wie in der vorhergehenden Vorlesung gezeigt worden, verwandt; sie ist das noch intensivere Zurückdrängen des Selbstbewußtseins in sich, die Entwicklung des Inhalts zur bloßen Gefühlsbestimmtheit.
Die Religion muß gefühlt werden, muß im Gefühl sein, sonst ist sie nicht Religion; der Glaube kann nicht ohne Gefühl sein, sonst ist er nicht Religion. - Dies muß als richtig zugegeben werden; denn das Gefühl ist nichts anderes als meine Subjektivität in ihrer Einfachheit und Unmittelbarkeit, ich selbst als diese seiende Persönlichkeit. Habe ich die Religion nur als Vorstellung - auch der Glaube ist Gewißheit von Vorstellungen -, so ist ihr Inhalt vor mir, er ist noch Gegenstand gegen mich, ist noch nicht identisch mit mir als einfachem Selbst; ich bin nicht durchdrungen von ihm, so daß er meine qualitative Bestimmtheit ausmachte. Es ist die innigste Einheit des Inhalts des Glaubens mit mir gefordert, auf daß ich Gehalt, seinen Gehalt habe. So ist er mein Gefühl. Gegen die Religion soll der Mensch nichts für sich zurückbehalten, denn sie ist die innerste Region der Wahrheit; so soll sie nicht nur dies noch abstrakte Ich, welches selbst als Glauben noch Wissen ist, sondern das konkrete Ich in seiner einfachen, das Alles desselben in sich befassenden Persönlichkeit besitzen; das Gefühl ist diese in sich ungetrennte Innigkeit.
Das Gefühl wird jedoch mit der Bestimmtheit verstanden, daß es etwas Einzelnes, einen einzelnen Moment Dauerndes, sowie ein Einzelnes in der Abwechslung mit anderem nach ihm oder neben ihm sei; das Herz hingegen bezeichnet die umfassende Einheit der Gefühle nach ihrer Menge wie nach der Dauer; es ist der Grund, der ihre Wesentlichkeit außerhalb der Flüchtigkeit des erscheinenden Hervortretens in sich befaßt und aufbewahrt enthält. In dieser ungetrennten Einheit derselben - denn das Herz drückt den einfachen Puls der lebendigen Geistigkeit aus - vermag die Religion den unterschiedenen Gehalt der Gefühle zu durchdringen und zu ihrer sie haltenden, bemeisternden, regierenden Substanz zu werden.
Damit aber sind wir von selbst sogleich auf die Reflexion geführt, daß das Fühlen und das Herz als solches nur die eine Seite sind, die Bestimmtheiten des Gefühls und Herzens aber die andere Seite. Und da müssen wir sogleich weiter sagen, daß ebensowenig die Religion die wahrhafte ist darum, weil sie im Gefühl oder im Herzen ist, als sie darum die wahrhafte ist, weil sie geglaubt, unmittelbar und gewiß gewußt wird. Alle Religionen, die falschesten, unwürdigsten, sind gleichfalls im Gefühle und Herzen, wie die wahre. Es gibt ebenso unsittliche, unrechtliche und gottlose Gefühle, als es sittliche, rechtliche und fromme gibt. Aus dem Herzen gehen hervor arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Lästerung usf.; d. h. daß es keine argen, sondern gute Gedanken sind, hängt nicht davon ab, daß sie im Herzen sind und aus dem Herzen hervorgehen. [Herz - Christus >>>] Es kommt auf die Bestimmtheit an, welche das Gefühl hat, das im Herzen ist; dies ist eine so triviale Wahrheit, daß man Bedenken trägt, sie in den Mund zu nehmen. Aber es gehört zur Bildung, so weit in der Analyse der Vorstellungen fortgegangen zu sein, daß das Einfachste und Allgemeinste in Frage gestellt und verneint wird; dieser Verflachung oder Ausklärung, die auf ihre Kühnheit eitel ist, sieht es unbedeutend und unscheinbar aus, triviale Wahrheiten, wie z. B., an die auch hier wieder erinnert werden kann, daß der Mensch von dem Tier sich durchs Denken unterscheidet, das Gefühl aber mit demselben teilt, zurückzurufen. Ist das Gefühl religiöses Gefühl, so ist die Religion seine Bestimmtheit; ist es böses, arges Gefühl, so ist das Böse, Arge seine Bestimmtheit. Diese seine Bestimmtheit ist das, was Inhalt für das Bewußtsein ist, was im angeführten Spruche Gedanke heißt; das Gefühl ist schlecht um seines schlechten Inhalts willen, das Herz um seiner argen Gedanken willen. Das Gefühl ist die gemeinschaftliche Form für den verschiedenartigsten Inhalt. Es kann schon darum ebensowenig Rechtfertigung für irgendeine seiner Bestimmtheiten, für seinen Inhalt sein als die unmittelbare Gewißheit. >>>
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